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Die Seevölker

Die Seevölker

Titel: Die Seevölker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Immanuel Velikovsky
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großen Tempelbezirks, baute
    sich Psusennes eine eigene Enklave, die von einer massiven Ziegel-
    mauer umgeben war. Der Tempelbezirk wurde von Pierre Montet er-
    forscht; die Identität des Bauherrn dieser Enklave war ihm sofort of-
    fenkundig: in ihrer nordöstlichen Ecke befand sich ein Fundament, das
    den Namen des Psusennes trug; dieser Name stand auch auf vielen
    Ziegeln auf den Umfassungsmauern der Einfriedung.1
    In einer Ecke zwischen dem Tempel und der Ziegelmauer entdeckte
    Montet das Grab dieses Priesterfürsten. Aber anstatt sich in seiner zu-
    erst zum Ausdruck gebrachten Auffassung bestärkt zu fühlen, daß
    diese Enklave von Psusennes errichtet worden war, sah sich Montet
    genötigt, sie zu widerrufen:
    »Diese in unseren jüngsten Veröffentlichungen zum Ausdruck ge-
    brachte Auffassung ist nicht richtig. Jetzt wissen wir, daß der große
    Tempel in seiner endgültigen Form aus einer viel späteren Zeit datiert,
    denn unterhalb der nordöstlichen und der nordwestlichen Ecke haben
    wir Ablagerungen von Osorkon II. und in der südöstlichen Ecke eine
    Ablagerung von Nektanebos I. [Necht-nebef] gefunden«.2
    Natürlich konnte ein Pharao aus dem elften Jahrhundert nicht auf
    Fundamenten gebaut haben, unter denen Ablagerungen eines Königs
    des neunten oder achten Jahrhunderts lagen; er konnte auch nicht mit
    einem Bauwerk fortfahren, das von einem König des vierten Jahrhun-
    derts begonnen worden war – es sei denn, dieser selbst wird fälschli-
    cherweise ins elfte Jahrhundert datiert, während er doch in Wirklich-
    keit frühestens ins vierte Jahrhundert gehört. Dieser Gedanke kam
    Montet nicht, aber das Problem ließ sich nicht einfach durch den Wi-
    derruf der früher vertretenen Auffassung lösen: es mußte nachgewie-
    sen werden, wie der Psusennes des elften Jahrhunderts auf Fundamen-
    ten bauen konnte, die im vierten Jahrhundert gelegt worden waren.
    Wenn das folgende eine Erklärung ist, so sei es hier sachlich festgehal-
    ten:
    »Die Tempel von Tanis wurden so häufig umgebaut und in moder-

    1 P. Montet: Tanis (Paris 1942), S. 43 und 55-56.
    2 Montet: Les Constructions et le Tombeau des Psousennès à Tanis (Paris 1951), S. 10.

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    ner Zeit so schlecht behandelt, daß kein einziger Stein aus dem Alten,
    dem Mittleren und dem Neuen Reich mehr seinen ursprünglichen
    Platz einnimmt.«3
    Tempel wurden umgebaut, altes Material wurde erneut benutzt,
    aber unterhalb dessen, was Montet weiterhin in seinen Publikationen
    den »Tempel des Psusennes« nennt, konnten sich nicht Fundamente
    und Überreste aus späteren Jahrhunderten befinden.
    Das scheinbar widersprüchliche Beweismaterial – Fundamente und
    Ablagerungen aus dem achten und dem vierten Jahrhundert unter
    einem angeblich aus dem elften Jahrhundert stammenden Bauwerk –
    ist ganz und gar nicht widersprüchlich, wenn wir begreifen, daß Psu-
    sennes eine Generation nach Nechtnebef lebte und wirkte, nämlich in
    der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts.
    Auf dem in Fragmenten erhaltenen Fundamentstein, der von Mon-
    tet gefunden wurde, steht neben dem Namen des Psusennes, ein »bar-
    barischer Name«, Schahedet, der von einer Kartusche umschlossen ist.
    Montet lieferte eine Abbildung dieses Fragments und wunderte sich
    über die Bedeutung des Namens neben dem des Psusennes. Er kam
    zur Auffassung oder setzte voraus, es könnte der Name einer wenig
    bekannten weiblichen Gottheit sein, vermutlich einer libyschen Göttin.4
    Diese Lösung scheint doch sehr an den Haaren herbeigezogen: Warum
    sollte Psusennes neben seinen Namen in einer Kartusche denjenigen
    einer wenig bekannten libyschen Göttin setzen, in einer Form, der man
    sonst nirgendwo begegnet?5 Für ein ägyptisches Ohr klang dieser Na-
    me sicherlich barbarisch. '
    Es scheint besser im Einklang mit dem Zweck von Kartuschen zu

    3 »Les temples de Tanis ont été tant de fois reconstruits et si maltraités dans les temps modernes que pas une pierre de 1'Ancien, du Moyen et du Nouvel Empire ne se
    trouve plus à sa place originale.«
    4 Montet: Psousennès (Paris 1951), S. 184.
    5 Um das Vorkommen des Wortes bzw. des Namens Shahdidit (mit einem d in der
    zweiten Silbe) in einigen anderen Texten dieser Periode zu erklären, stellte Legrain die Hypothese auf, es handle sich um eine libysche Gottheit dieses Namens (»La Déesse
    Shahdidit«), in: Annales du Service des Antiquités d'Egypte, XV, S. 284-86. Im Persischen bedeutet jedoch Shahdidit soviel wie »Gefolgsmann des

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