Die Seherin der Kelten
Feuerstein und den Sand lieferten, hatten für heute noch nicht begonnen; und somit hatte der Strom der weniger dramatischen Hautabschürfungen und gebrochenen Finger, sowie der schwereren, lebensbedrohenden Unfälle noch nicht eingesetzt. Mit etwas Glück würden sie allerdings auch ganz ausbleiben. Seit dem Frühling, an dem die Arbeiten an dem Dach begonnen hatten, war die Zahl der Verletzten zurückgegangen, nachdem sie etwa in der Mitte des Winters ihren Höhepunkt erreicht hatte, als jener Dümmling von einem alexandrinischen Aufseher es für besonders einfallsreich gehalten hatte, Männer ohne jede Erfahrung in der Verarbeitung von Stein einzustellen und ihnen die Aufgabe zu übertragen, jene Säulen zu errichten, die später das Dach stützen sollten.
Die Verletzungen durch Stürze und Quetschungen dagegen - sowohl jene, die durch herabfallendes Mauerwerk entstanden, als auch die, bei denen die Männer auf Teile der Mauer aufschlugen - hatten eingesetzt, sobald die Säulen etwa ihre halbe Höhe erreicht hatten, und nahmen, je mehr sich diese ihrer Fertigstellung näherten, natürlich weiter zu. Als Theophilus diesbezüglich eine Beschwerde an den Gouverneur sandte, hatte man ihn daran erinnert, dass er sich im Frühling bereits darüber erregt habe, dass man die gesunden, wehrtauglichen Männer vom Aussäen abgezogen hatte, sowie im Herbst darüber, dass man sie von der Ernte fern hielte, und was er denn wohl glaube, wann der Tempel des Gottes Claudius endlich einmal errichtet werden solle, wenn Theophilus sich nun, im Winter, ebenfalls wieder beschweren wollte?
Drei Tage später, während des Abendessens in seiner Villa und unter etwas angenehmeren Umständen, informierte man Theophilus darüber, dass der Kaiser erwarte, den Tempel bis zum zwanzigsten Jahrestag der Invasion fertiggestellt zu sehen, und dass Theophilus mehr als willkommen sei für den Fall, dass er Nero einmal eine persönliche Darlegung davon geben wolle, warum es Wahnsinn sei, Gebäude aus Stein zu errichten an einem Ort, an dem Stein noch nie verwendet worden war; wo ausgebildete Arbeiter, die man extra vom Kontinent hier herübergebracht hatte, an Kälte und Krankheiten starben oder einfach das nächste Schiff wieder zurück nach Hause in die Wärme und zum Wein nahmen; wo man von Ureinwohnern, die keinerlei Geld besaßen, erwartete, dass sie für die Erbauung des Tempels zahlten, um gerade jenen Mann zu ehren, der sie einst besiegt hatte. Einzig, dass man Theophilus rate, vorher doch zuerst einmal sein Testament zu machen.
Theophilus, der seines Lebens noch nicht in auffälliger Weise überdrüssig geworden war, verzichtete also auf jegliche derartige Darlegung vor dem Kaiser. Stattdessen schickte er, als der Frühling die Schifffahrtswege wieder öffnete, nach Athen mit der Bitte um Schriften über das Bauhandwerk, die er nachts und während der wenigen freien Minuten des Tages durcharbeitete, um einige Vorschläge für die Sicherheit auf der Baustelle unterbreiten zu können. Das wurde von ihm als Arzt natürlich nicht erwartet, doch schon vor langer Zeit hatte man ihm beigebracht, dass eine verhütete Verletzung gleichbedeutend war mit einem geretteten Leben, und er betrachtete es als seine moralische Pflicht, für seine Patienten stets sein Bestes zu geben.
Nun, auf der kleineren, stärker belegten Station, fand er jedoch den Beweis dafür vor, dass er bei dreien dieser Patienten natürlich ebenfalls sein Bestes getan, aber dennoch versagt hatte. Zwei waren in der Nacht verstorben, und ein Kind von acht Jahren mit Keuchhusten würde bis zum Mittag ebenfalls tot sein. Zum Schutze der anderen wäre es gut gewesen, das Kind in einen gesonderten Raum zu verlegen, doch es stand keiner zur Verfügung. Theophilus ließ den Jungen also ans entgegengesetzte Ende des Saals schaffen, in das Bett einer der beiden Frauen, die vor ihm gestorben waren, und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder jener Kombination aus Verletzungen, Unterernährung und Krankheiten zu, die den Rest seiner Pflegebefohlenen befallen hatte.
Wie immer, so war auch in diesem Krankenhaus ein Bereich mit kleinen Privatzimmern, die allesamt auf den Atriumhof hinausgingen, den Offizieren und deren Familien vorbehalten. Nur wenige von ihnen mochten es, wenn man sie bereits früh am Morgen weckte, und so wurden diese Räume, von Notfällen einmal abgesehen, regelmäßig erst ganz zuletzt aufgesucht. Gewaschen und in eine neue, saubere Tunika gekleidet, ging der Arzt bei
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