Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
sein Vorhandensein, warum dem ehemaligen Zenturio bisher überhaupt ein solch großer Spielraum bei seinem Auftritt eingeräumt worden war.
    Marcellus hob die Arme und begann, sich langsam im Kreise zu drehen, so dass jene, die Erfahrung im Kampf gesammelt hatten - der Gouverneur, seine Offiziere, die Krieger unter den Stammesangehörigen -, erkennen konnten, dass er keinerlei Narben auf dem Rücken trug. Er hatte also nie den Rückzug angetreten oder war während seines Rückzugs zumindest nie verfolgt worden. Am liebsten wäre ihm zweifellos gewesen, sein Publikum ginge von Ersterem aus.
    Der Gefangene hatte sich beinahe einmal um die eigene Achse gedreht. Die Männer, welche gemeinsam mit ihm auf der Bühne standen, erblickten die lange Linie unterhalb seiner linken Achselhöhle und wurden damit erneut an den Tag erinnert, als diese Wunde noch frisch gewesen war, sahen im Geiste wieder jene Schlachten vor sich, die sie mit Marcellus an ihrer Spitze durchfochten hatten. Doch nur einer der beiden Offiziere der Leibwache erkannte auch die Gefahr und auch erst zu spät, um noch reagieren zu können. Sein Schrei diente lediglich dazu, den Höhepunkt des Dramas des Gefangenen zu markieren.
    Mit dem letzten Schritt seiner Umdrehung warf Marcellus sich blitzschnell auf den Boden, rollte sich zur Seite und streckte sich flach aus, um die Reihe der miteinander gekreuzten Schwerter zu erreichen, die vergessen auf der Bühne lagen. Seine Hand stieß auf den Griff der am dichtesten bei ihm liegenden Waffe, und in einer geübten Bewegung, mit der er zugleich wieder aufsprang, riss er sie an sich, ein klein wenig außer Atem, aber bewaffnet in der Gegenwart von fünfzehn Männern, von denen nur drei die Geistesgegenwart besaßen, sich ebenfalls zu bücken und ihre Waffen aufzunehmen.
    Mochte das Schweigen zuvor noch ein höfliches gewesen sein, so war es nun aufgeladen mit der alles niederschmetternden Kraft eines Blitzschlags. Dreitausend Männer und Frauen hielten geschlossen den Atem an. Stammeskrieger, die früher ebenfalls in Schlachten gekämpft hatten, griffen automatisch nach den Waffen, die zu tragen ihnen doch nicht erlaubt war, und ließen ihre Hände schließlich leer und nutzlos wieder an ihren Seiten hinabfallen. Breaca hörte, wie Corvus sich erhob und sich einen Weg zwischen den Sitzplätzen hindurch und den Gang hinab bahnte. Zwei weitere Offiziere der Legionen taten es ihm gleich. Jene Männer waren Auserwählte; Auserwählte wegen ihres Geschicks, das Gleichgewicht zwischen Politik und Krieg zu bewahren und stets angemessen zu reagieren. Ihnen konnte man vertrauen, die Situation unter Kontrolle zu bringen.
    Marcellus beobachtete, wie sie näher kamen. Er hob seine Klinge und begrüßte jeden von ihnen namentlich.
    »Valerius Corvus: Ich werde niemals Euren Sturmangriff auf das Felsenfort der Durotriger vergessen. Unser Gott schaute an jenem Tage zu und wird von mir erneut davon hören. Cornelius Pulcher: Ich habe von Euren Aktionen gegen die Krieger des Westens gehört. Mit der Zeit werdet Ihr die Oberhand gewinnen, da bin ich mir sicher.« Sein spöttisches Lachen hingegen besagte etwas anderes. Doch sogleich verstummte es wieder, als er sich umdrehte, um sich dem letzten der Offiziere zuzuwenden, einem alternden, weißhaarigen Zenturio der Neunzehnten Legion, der durchaus alt genug aussah, um selbst bereits als Veteran pensioniert zu sein. Vor ihm vollführte Marcellus sogar eine Verbeugung. »Rutilius Albinus, Erster Vater unter dem Gott. Ich werde ihm deine Grüße überbringen, so wie ich dir meine Ehre übereigne, meinen Treueschwur und mein Leben.«
    Zumindest Albinus erkannte, was nun folgen würde. Mit einem Knall, so laut wie ein Donnerschlag, stieß er sein Schwert in dessen Scheide zurück und riss den Arm zum Gruß hoch. Und alles in genau jenem Moment, als Marcellus seine gestohlene Waffe verkehrt herum packte und sich die Klinge zielsicher und ohne das geringste Zögern in seine eigene Brust stieß, eine Handbreit links von dem Brandzeichen des Stiers. Mit seiner letzten bewussten Bewegung neigte er sich vornüber, um behaupten zu können, er sei auf sein Schwert gefallen, damit er seinem Gott in Ehren gegenübertreten konnte.
    Marcellus war tot, noch ehe einer der über die Bühne auf ihn zustürzenden Offiziere ihn erreichen konnte. Sie waren nur allzu langsam, wie gelähmt von ihrer eigenen Angst. Es gab Gouverneure, unter denen sie nun diejenigen gewesen wären, die Marcellus’ Platz am

Weitere Kostenlose Bücher