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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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bestand darin, sich der Dunkelheit und allem, was sie barg, zu stellen; nur, das wollte er auch nicht.
    Er hatte lebenslange Übung darin, jene Dinge zu ignorieren, die er ganz und gar nicht sehen wollte; auf diesem Gebiet, wenn auch vielleicht auf keinem anderen, war er zweifellos ein Experte. Allein mit einem schlafenden Hund und jeglicher Illusionen beraubt, hockte Julius Valerius - einstmals Stammesmitglied der Eceni, einstmals Offizier in den Armeen Roms, Sohn zweier Träumer und Mörder vieler weiterer Träumer - nun mit bis zur Brust hochgezogenen Knien da und beschloss, besser nicht darüber nachzudenken, was es letztlich eigentlich bedeutete, seine Seele zu verlieren.
    Einige Zeit später streckte er gedankenlos seine Beine aus und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen in einem anderen Winkel ausgerichteten Stein in der Wand. Und prompt drangen mac Calmas letzte Worte zu ihm.
    Du wirst wissen, wann es an der Zeit ist. Ich kann dir nicht helfen.
    Die Stimme des Ältesten hatte distanziert geklungen, selbst damals schon, ganz zu Anfang. Der Tunnel, der in die Grabkammer führte, hatte gelockt, und Valerius war ihn entlanggekrochen; er hatte es als Erleichterung empfunden, in die Dunkelheit einzutauchen und so dem grellen Schein des Feuers und mac Calmas erbarmungslos scharfer, durchdringender Musterung entrinnen zu können.
    Die neun langen Monate, die er in der Gesellschaft des Ältesten verbracht hatte, hatte er diesen forschenden Blick aushalten müssen, und er hatte ihn und die Fragen, die dieser Blick stets ankündigte, zu fürchten gelernt. Naiverweise hatte Valerius, als er das Angebot seines Geburtsrechts annahm, erwartet, nun in den Gebräuchen und Methoden der Träumer geschult zu werden. Stattdessen hatte Luain mac Calma ihn dazu gebracht, über seine Vergangenheit zu sprechen. Während Bellos in Efnís’ Obhut blieb, in der sich der körperliche Zustand des Jungen, wenn auch noch nicht sein Sehvermögen, weiterhin besserte, war Valerius unter der Führung Luain mac Calmas über die verschlungenen Pfade seiner Vergangenheit zurückgewandert und hatte von Menschen und Ereignissen erzählt, die er in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannt hatte. Neun Monate hindurch hatte er Nacht für Nacht nochmals den trügerischen Frieden der Schmiedehütte in Irland aufgesucht, war mit Caradoc durch Rom marschiert, hatte mit Corvus in Camulodunum, in Germanien, in Gallien exerziert - hatte ihn geliebt und war von ihm geliebt worden.
    Der Liebe seines Erwachsenendaseins beraubt, war Valerius noch weiter durch die Zeit geschritten und bis in seine Kindheit zurückgewandert; er hatte Hail gepflegt und am Leben erhalten, hatte bei der Geburt eines graubraunen Stutenfohlens geholfen, war im Heimatland der Eceni auf dem Schlachtross seines Vaters geritten und auf der rotbraunen thessalischen Kavalleriestute, und hatte einmal, wunderbarerweise, Amminios, den Bruder Caradocs, in einer Partie des Kriegertanzes besiegt, mit dem Leben eines Sklavenjungen als Gewinn.
    Wie fließendes Wasser hatten Luain mac Calmas hartnäckige Fragen ihn ausgehöhlt, waren in die Risse in dem Gebäude seiner Selbstbeherrschung eingedrungen, bis Valerius sich in drei von vier Nächten beim Zubettgehen grimmig geschworen hatte, dass er gehen würde, dass er alles stehen und liegen lassen und allein nach Irland zurückkehren würde. Und jeden Morgen war er wieder aufgewacht und hatte trotz allem weitergemacht, so wie sie beide von Anfang an gewusst hatten, dass er weitermachen würde, so wie Valerius auch jetzt weitermachte - hier, in der von dem Atem eines Hundes erwärmten Dunkelheit, wo er ganz allein mit sich selbst war, wo es niemanden gab, der ihm zusetzte oder der ihn in seinen Armen hielt, wenn er weinte.
    Nur mac Calmas Stimme stürmte durch die Dunkelheit auf ihn ein, ein Echo jener Realität, die in diesem von Stein umschlossenen Raum wieder zum Leben erwachte.
    Ich biete dir dein Geburtsrecht an.
    Es war das, wonach sich seine Seele im Grunde schon sein ganzes Erwachsenenleben lang gesehnt hatte, und es hatte keinen Zweck, dies abzustreiten.
    Es war einzig und allein diese Verheißung gewesen, die Valerius während der schrecklichen Überfahrt von Mona nach Irland aufrechterhalten hatte und die ihn bewogen hatte, den Mund zu halten, zumindest vorläufig, als sie gegen Mitte des Sommers die Nachricht von dem langsamen und qualvollen Tod des Gouverneurs von Britannien erreichte. Es ging das Gerücht um, die Träumer

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