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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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dann war es wohl als Antwort auf mein inständiges Gebet, im Verein mit drei Tagen Fasten, um ihm noch mehr Kraft zu verleihen. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal dazu fähig wäre. Denn eines steht fest: Die Ältesten der Kaledonier haben mich in dem Jahr, in dem ich bei ihnen war, nicht in ihre Methoden des Träumens eingeweiht, sie haben mir nur beigebracht, wie man zum Mann wird.«
    Nur. Breaca sehnte sich schmerzlich danach, ihren Sohn in die Arme zu schließen und fest an sich zu drücken, doch diese Geste durfte nicht von ihr kommen. Sie trat einen Schritt von dem Baum fort, zog das Messer aus ihrem Gürtel und hielt es Cunomar hin. »Ich habe das hier für dich und außerdem eine Jagdhündin, die von Efnís’ Schwester gezüchtet wurde und die bei der Jagd ebenso geschickt und tüchtig sein wird wie Stone.«
    Das Messer lag auf ihrer flachen, ausgestreckten Hand, stumpf und glanzlos in der Dunkelheit. Bei Tageslicht hatten ein Dutzend verschiedener Händler versucht, um die Waffe zu feilschen. Die Klinge war schlicht und schmucklos; sie besaß nur eine Schneide, hatte die maximale, gerade noch erlaubte Länge und wies am hinteren Rand eine leichte Krümmung auf, so dass sie sich ebenso gut zum Töten wie zum Abbalgen eignete. Das Heft des Messers war keineswegs kunstvoll verziert, sondern schlicht in Bronze gegossen, und zwar in der Form eines jagenden Bären, der auf der Rückseite leicht abgerundet war, so dass die Hand mühelos darüber gleiten konnte, wobei der Kopf des Bären den Knauf bildete. An der Stelle, wo normalerweise das Herz des Bären saß, war ein Stück Obsidian, das in Form einer Speerklinge geschnitzt war, in das Metall eingebettet. Wenn das Licht des Feuers in einem bestimmten Winkel auf das Messerheft fiel, leuchtete der Obsidian rot, ähnlich wie eine frisch zugefügte Wunde.
    Die Sterne aber vermochten den Obsidian nicht zum Leuchten zu bringen, doch immerhin verliehen sie dem Heft einen weichen Silberschimmer. Endlich trat Cunomar fort von dem Baum, in dessen Schutz er die ganze Zeit über gestanden hatte. Vorsichtig, beinahe ehrfürchtig nahm er das Messer aus Breacas Hand.
    »Du hast das hier für mich angefertigt, nachdem du mich im Traum auf der Jagd gesehen hattest?«
    »Ja.«
    »Allmächtige Götter...« Als Kind hatte er Schönheit nie um ihrer selbst willen zu schätzen gewusst, sondern immer nur auf Grund dessen, was sie ihm geben konnte. Jetzt flüsterte er so ehrfurchtsvoll, wie Eneit es damals getan hatte, als er zum ersten Mal das Seelenlied des Speers vernommen hatte. Den Gesang eines Messers zu hören war noch um einiges schwieriger.
    Cunomar hörte ihn. Mit der Behutsamkeit eines Menschen, der das Heilige bewacht, kniete Cunomar nieder und legte das Messer auf die Blätterschicht auf dem Boden. Sehr viel weniger behutsam sprang er wieder auf und schlang die Arme um seine Mutter.
    Er war größer und kräftiger geworden, aber seine Entwicklung hatte sich nicht nur auf das Körperliche beschränkt; vielmehr schien er in anderer Beziehung noch umso reifer geworden zu sein. Sein Griff war fest, aber dennoch voller Rücksichtnahme, so als wüsste er genau, wo er selbst aufhörte und Breaca begann, und als respektierte er sie beide. Breaca spürte eine Wärme an ihrem Hals, die sie zuerst für Cunomars Atem hielt und erst einen Moment später als das erkannte, was sie wirklich war.
    Um Eneit hatte er nicht so geweint wie jetzt um sie.
     
    Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, hatten sich Wolken vor die Sterne am Himmel geschoben. Beiden fiel es schwer zu sprechen, beide brauchten einen Moment, um sich wieder zu fassen. Schließlich sagte Breaca: »Es gibt noch so viel zu sagen, aber wir haben jetzt nicht die Zeit, um uns in aller Ruhe zu unterhalten. Weißt du, warum ich hier bin?«
    »Natürlich.« Cunomar grinste; das eine Jahr bei den Kaledoniern hatte seine Freude über seine eigenen Leistungen nicht zu dämpfen vermocht - und das hätte es auch nicht gedurft. »Ich bin schon seit mehr als drei Tagen hier. Die Sklavenhändler sollen sich mit einem von Berikos’ Männern treffen - einem lahmen Krieger von den Coritani, der gegen dich kämpfte, bevor die Römer kamen. Er trägt die eingebrannten Zeichen der Feuerechse auf beiden Armen, zum Beweis dafür, dass er im Krieg sowohl getötet, als auch Verwundungen davongetragen hat. Er klopft jedes Mal mit einem Messer gegen den hohlen Haselstumpf, um zu signalisieren, dass er hier ist. Der Lärm, den das

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