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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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bedeutet, vollkommen bewusst. Doch wie auch immer, bis wir ihn nicht entweder lebend wiedergefunden haben oder aber über seine Leiche gestolpert sind, ist es unmöglich zu sagen, wie er gestorben ist.«
    »Er wurde von Prasutagos und seinem barbarischen Pack erschlagen.« Der Prokurator sprach mit der heiseren, flüsternden Eindringlichkeit eines Menschen, der schon in jungen Jahren zu viele Bronchialkatarrhe hatte erleiden müssen.
    Corvus hatte sich auf die Kante seines Schreibtischs gesetzt und starrte auf seine gespreizten, weißen Finger hinab. »Prokurator Catus, der König Prasutagos hat sich uns gegenüber vom ersten Augenblick an, da der göttliche Claudius seinen Fuß in diese Provinz setzte, stets loyal verhalten. Er hatte den kaiserlichen Reiterzug sogar persönlich nach Camulodunum geleitet. Und ohnehin wurden die Eceni schon vor mehr als einem Jahrzehnt gewaltsam entwaffnet. Ich halte es also für höchst unwahrscheinlich, dass man sie zu einem Angriff auf eine Gruppe von bewaffneten Sklavenhändlern motivieren könnte; das würde noch nicht einmal mehr ihr König schaffen.«
    »Tatsächlich?« Der Prokurator riss die Augen weit auf. »Dann seid Ihr ein noch größerer Narr als der, für den ich Euch ohnehin schon gehalten hatte. Besäße ich nicht eine bewaffnete Eskorte, so wäre ich bereits im ersten Monat, den ich hier verbracht habe, sozusagen zehnmal gestorben. Überall, wo wir hingehen, ziehen sie ihre ›Häutemesser‹ und lassen demonstrativ den Blick über die Klingen schweifen, um zu sehen, ob sie wohl scharf genug sind, um einen Menschen zu töten.«
    »Überall, wo du hingehst, tun sie das mit Sicherheit.« Theophilus sprach seine Bemerkung auf Alexandrinisch aus und schaute derweil höchst konzentriert auf die bronzene Statue des Horus, die auf dem schmalen Regal über dem Kohlebecken stand, ganz so, als ob er lediglich das in der Statue zum Ausdruck kommende handwerkliche Können kommentiere. Er sah, wie an Corvus’ Wange ein Muskel zu zucken begann, und lächelte scheinbar vollkommen arglos.
    Mit leicht hohl klingender Stimme erwiderte Corvus: »Ganz und gar meine Meinung, Prokurator. Der Frieden hier ist bestenfalls als wackelig zu bezeichnen. Dennoch können wir nicht ohne hinreichende rechtliche Grundlage damit beginnen, ganze Dörfer zu zerstören. Der Kaiser würde es mir ganz gewiss nicht danken, wenn ich die Zunderbüchse, als die man den Osten wohl bezeichnen darf, lediglich um eines Mannes willen in Brand setzen würde, der von einem Bären zerfleischt wurde.«
    »Er wurde aber nicht von einem Bären zerfleischt.«
    »Das behauptet Ihr. Aber wenn Ihr wirklich wollt, dass ich handle, müsst Ihr mir nicht nur Philus’ Leiche beschaffen, sondern auch zweifelsfrei beweisen, dass dieser von menschlicher Hand getötet wurde.«
    »Selbstverständlich.« Der Prokurator lächelte sowohl den Präfekten an als auch dessen Freund, den griechischen Arzt. Seine Stimme schien über sie beide hinwegzugleiten: »Präfekt, wenn Ihr dann bitte mit nach draußen kommen würdet? Und Ihr, Heiler? Ich denke, mit Euren Kenntnissen und Fähigkeiten solltet Ihr wohl jenen Beweis erbringen können, den der Präfekt offenbar noch benötigt.«
    Sie hätten darauf gefasst sein müssen. Und vielleicht hatte Corvus es ja auch tatsächlich geahnt, doch selbst dann hätte er es nicht mehr abwenden können.
    Draußen wartete im Dämmerlicht des Morgens und mit einer Plane vor neugierigen Blicken geschützt ein abgekoppelter Ochsenkarren. Er roch - keineswegs unangenehm - nach Erde und geschmolzenem Eis, sowie ein kleines bisschen nach Hundeurin, als ob ein streunender Köter erst kürzlich die Wagenräder markiert hätte. Dahinter stand in militärischer Aufreihung eine Zenturie von bewaffneten Männern: die kampferprobten Söldner des Prokurators.
    Mit überraschender Behändigkeit kletterte der Prokurator auf die Radspeichen und thronte dann auf dem Karrenrand, verlieh sich damit selbst den Vorteil, ein wenig höher aufzuragen als die anderen. Mit wie in Stein gemeißelter Miene blickte er auf Corvus hinab. »Ihr werdet Euch wohl daran erinnern, dass der Händler Philus sowie zwei der ihm am nächsten stehenden Männer jeder stets eine Brosche in der Form eines springenden Fisches trugen. Ist das richtig?«
    »Das ist es.«
    Corvus war Offizier der Kavallerie. Er hatte schon gegen bessere Männer gekämpft und schon bessere Männer getötet als diese hier. Theophilus beobachtete, wie Corvus seinen

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