Die Seherin der Kelten
Kopfschmerz verdrängte, der mittlerweile bereits recht unangenehm geworden sein musste, und stattdessen ein wissbegieriges Lächeln aufsetzte. »Und diese Brosche habt Ihr nun gefunden?«, fragte er.
»Nicht die, die Philus gehörte, aber die war ja auch aus Silber und besaß damit einen gewissen Wert. Doch wir haben zwei andere, eine aus Kupfer und eine aus Eisen, gefunden, die die Plünderer wohl übersehen haben. Sie wurden unter den Überresten jener Soldaten entdeckt, die Philus gedient hatten und bei dem Versuch starben, ihm das Leben zu retten. Wir waren nicht in der Lage, sie alle wieder mit zurückzubringen, aber wir werden den Tod jedes Einzelnen klären und den Verantwortlichen zur Strecke bringen. Meine Männer haben ihren Eid darauf geleistet.«
Ein bereits im Ruhestand befindlicher Legionär, den Theophilus als vollkommen ungeeignet in Erinnerung hatte, um eine Truppe von bewaffneten Männern anzuführen, trat, bekleidet mit einem klirrenden, übermäßig polierten Kettenpanzer, vor, salutierte und erklärte, ohne dazu aufgefordert worden zu sein oder die Erlaubnis zum Sprechen zu besitzen: »Es wurden dreiundvierzig verschiedene Leichen gefunden. Ein Dutzend Eingeborene, siebenundzwanzig Soldaten, vier nicht zu Identifizierende, weil...«
Corvus’ Lächeln nahm jenen Zug an, den jeder Mann, der jemals unter ihm gedient hatte, besser erkennen sollte. Stotternd beendete der Legionär seine Ausführungen. Das Nicken des Kommandanten fiel denkbar knapp aus. »Danke, Driscus, den Rest können wir uns denken.« Über den Kopf des Mannes hinweg fragte er: »Prokurator, habt Ihr die Leichen denn auch mitgenommen?«
»Natürlich. In einer Angelegenheit dieser Größenordnung darf ich schließlich nicht erwarten, dass Ihr allein auf mein Wort vertraut.«
Der Prokurator hatte eine Vorliebe fürs Theater, und seine Männer hatten eine dermaßen strenge Unterweisung genossen, dass sie schon wie automatisch funktionierten. Ebenso geschickt, wie er das Karrenrad erklommen hatte, kletterte Decianus Catus nun wieder von ihm herab. Auf sein Nicken hin trat Driscus klirrend vor, um eine Ecke der Segeltuchabdeckung anzuheben. Drei andere traten hinzu, um ihm zu helfen. In einer einzigen, sauberen Bewegung zogen sie die Karrendecke fort. Die Männer des Prokurators, das sollte dadurch klar zum Ausdruck kommen, besaßen die gleiche, bemerkenswerte Disziplin wie jene, die in den Legionen dienten; wenn diese hier nicht sogar noch härter gedrillt waren.
Theophilus hatte einen großen Teil seines Berufslebens damit zugebracht, zuzuschauen, wie Männer wie Driscus ganze Wagenladungen niedergemetzelter Menschen enthüllten. Erschöpft wartete er darauf, dass die wahre Wand an Gestank ihn erreichte, und stellte schließlich fest, dass sie bereits zu ihm vorgedrungen war und er sich wieder entspannen konnte, weil der Winter und die Aasfresser den Geruch auf ein modriges, süßliches und beinahe schon angenehmes Etwas reduziert hatten.
Er beugte sich über den Rand des Karrens, um besser sehen zu können. Im Inneren lagen in einer Art Kinderpuzzle und überzogen von vertrocknender, sehniger menschlicher Haut sich bereits gelblich verfärbende Knochen sowie einige gespaltene Schädel. Hier und dort klebten einige restliche Kleidungsfetzen an den Gebeinen, für die die Eingeborenen, die Tiere des Winters sowie die Frühlingsvögel offenbar noch keine bessere Verwendung gefunden hatten. Ganz zuoberst, geradezu herausfordernd auf der Wölbung eines sauber abgenagten Brustkorbs platziert, lagen zwei Broschen in Form eines springenden Lachses, dick überzogen mit Rost und Grünspan, so dass nur die aus Juwelen bestehenden Augen noch klar zu blicken schienen.
Wie beabsichtigt, erregten diese prompt Theophilus’ Aufmerksamkeit, so dass er einen Moment brauchte, um den Blick über die Fische hinausschweifen zu lassen und jenen Tatbestand zu erkennen, der von noch größerer Bedeutung war. Er schaute wieder auf. Corvus begegnete Theophilus’ Blick und schüttelte stumm den Kopf, so dass der Arzt den Mund wieder schloss und auf einen besseren Zeitpunkt wartete, um anzumerken, was er soeben hatte verkünden wollen.
Über Corvus und Theophilus beugte sich nun der Prokurator. Sein Atem roch nach alten Schalentieren und stank damit übler als die durch den Winter gereinigten Toten. In einem Tonfall, als ob er gerade Kinder unterrichte, hob er an: »Ich denke, dies...«, er stupste mit einem noch in seinem Futteral steckenden Messer
Weitere Kostenlose Bücher