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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Rücken, von dem die Haut in Fetzen herabhing, und mit dem qualvollen Ziehen in seinen Armen und Schultern, wo die Muskeln und Sehnen vom langen Hängen an dem Pfahl überdehnt und gerissen waren.
    Es war einfach unmöglich, eine auch nur halbwegs erträgliche Körperhaltung zu finden, bei der der Schmerz nicht wie ein Feuerstrahl durch seinen Körper schoss, und folglich war auch an Schlaf nicht zu denken. So lag Cunomar hellwach in der Dunkelheit und fühlte dabei Ardacos’ Schulter gegen seine Ferse drücken; eine feste, verlässliche Präsenz, die mehr Trost spendete, als Worte es vermocht hätten. Die drei Bärinnenkrieger lagen um ihn herum, krampfhaft darum bemüht, ruhig und gleichmäßig zu atmen, so wie auch er es versuchte. Denn das war das Einzige, was er nun noch tun konnte: an sich zu halten und nicht der Verzweiflung nachzugeben und in Tränen der Hilflosigkeit auszubrechen, während er in seinem Kopf nichts anderes hörte als das schon gar nicht mehr menschlich klingende Gewimmer Graines, die unentwegt schrie und dann auf einmal verstummte, was noch schlimmer war.
    Obgleich er seine ganze Kindheit über eifersüchtig auf seine Schwester gewesen war, sie beneidet hatte um ihre Schönheit und Feinfühligkeit, um die tiefe Zuneigung von Breaca, um ihren Platz in Airmids Herzen und in Sorchas, um ihre ruhige, unbefangene Art, mit Stone umzugehen, und um ihre wachsende Macht, so hatte Cunomar ihr doch nie den Tod gewünscht. Nun aber tat er es, leidenschaftlich und inständig. Um ihretwillen. Als er dort frierend auf dem kalten Fußboden lag, mit tauben, gefühllosen Fingern, nachdem die Fesseln um seine Handgelenke ihm die Blutzufuhr abgeschnürt hatten, und gepeinigt von schier unerträglichen Schmerzen im Kopf, im Rücken und in den Armen, da betete er voller Inbrunst zu dem Geist der namenlosen Bärin, der in seinem Inneren wohnte, Graines Schweigen möge bedeuten, dass sie Erlösung im Tod gefunden hatte.
    Später, als er noch stärker fror, sehnte er das Gleiche für sich selbst und für die anderen herbei.
    Noch etwas später - mittlerweile zitterte er an allen Gliedern und war drauf und dran, in Tränen auszubrechen - erinnerte er sich wieder daran, was Ardacos gesagt hatte, ehe die Qual angefangen hatte: Denk an deine Kennzeichnung als Krieger der Bärin und was sie aus dir gemacht hat . Und dann noch einmal, im Anschluss an die Auspeitschung, als man sie zu der Hütte zurückgetragen hatte: Denk an die Kennzeichnung als Bärinnenkrieger. Die war weitaus schlimmer als das hier.
    Vielleicht war die Prozedur tatsächlich noch schlimmer gewesen; Cunomar konnte sich allerdings nicht mehr so recht daran erinnern. Qualen, die vorbei und ausgestanden sind, vergisst man so leicht, und zurück bleibt höchstens das Triumphgefühl angesichts der Tatsache, dass man sie überlebt hat. Ganz sicherlich aber hatte sich die Kennzeichnung als Bärinnenkrieger erheblich länger hingezogen; das Auspeitschen hatte kaum einen Nachmittag gedauert, während sich sein Aufenthalt in der Bärenhöhle in der Obhut der Ältesten der Kaledonier über vier Tage erstreckt hatte, von der Abenddämmerung des ersten bis zur Abenddämmerung des vierten und letzten Tages; und jeder Augenblick dazwischen war mit schier unerträglichem Schmerz verbunden gewesen.
    Cunomar glaubte, dass sie erhitzte Feuersteinklingen verwendet hatten, um die Narben auf seinen Schultern und seinem Rücken zu erzeugen, war sich aber nie ganz sicher gewesen. Dafür war es damals in der Höhle einfach zu dunkel gewesen und er selbst zu verloren, zu sehr von dem gefangen genommen, was mit ihm geschah, zu intensiv auf jeden einzelnen Atemzug konzentriert, als dass es ihn gekümmert hätte. Und danach war es ganz einfach ein Teil des Zaubers gewesen und wichtig, eben nicht zu wissen, wie die ganze Prozedur eigentlich vor sich gegangen war.
    Atme. Tauche tief in jeden einzelnen Atemzug ein. Lass dich von ihm in den Kern deines Selbst tragen, dorthin, wo deine Kraft liegt.
    Das war die Beschwörungsformel gewesen, die die Ältesten gesprochen hatten, wieder und wieder, und die Zeit hatte aufgehört zu existieren, so dass es so schien, als hätte er Tage, Monate, Jahre damit zugebracht, gegen die Empfindungen seines Körpers anzukämpfen, darum zu kämpfen, nicht laut zu schreien, darum zu kämpfen, sich nicht zu wehren, sondern still unter den scharfen, sengend heißen Messern zu liegen, die tief in sein Fleisch schnitten - bis die Worte der Ältesten endlich

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