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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Körpers zitterte Airmids Stimme kein bisschen; sie war eine Träumerin, und die Übung verlieh ihr Disziplin. Lediglich ihr Ton wurde plötzlich immer lauter und schriller, bis sich schließlich nicht mehr verbergen ließ, dass es nicht Zorn war, der in Airmid aufwallte, sondern dass ein Kummer aus ihr hervorbrach, der kaum mehr zu ertragen war und den sie schon zu lange Zeit für sich hatte behalten müssen.
    Eine Wolke verdunkelte den Mond. Die Lichtung schien sich enger um sie zu schließen, erhellt nur noch von dem verschwommenen Bernsteingelb der Flammen. Diejenigen, die am Rande des Feuerscheins standen, schienen zu noch weniger zu verschwimmen als einem bloßen Schatten. Airmid stand zwei Schritte von Breaca entfernt, dicht genug, um sie berühren zu können. Die Hitze, die von ihrer Haut ausstrahlte, war stärker als die lediglich aus der Ferne liebkosende Glut des Feuers. Aus ihrem Umhang stieg der Geruch von Kräutermischungen auf und verwob sich mit dem vom Meer aufsteigenden Nebel und dem Schweiß der Pferde, und doch vermochte er nicht den Duft von Airmid selbst zu überlagern, der sich die ganzen Jahre über nie verändert hatte. Airmid wartete, regungslos, und plötzlich schienen Breaca und sie wieder Kinder zu sein, die die ersten Regeln der Liebe lernten; doch sie waren Erwachsene und kannten bereits den niemals endenden Schmerz des Verlusts; und sie waren allein, umgeben von Freunden, die sie nicht stören würden. Alles, was Breaca nun tun musste, war, die Hand auszustrecken, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken - und die Welt würde nicht mehr länger die sein, die sie gewesen war, seit Breaca aus der Höhle herausgetreten war und den Stein der Ahnen sauber geschrubbt hatte, um damit ihre Schuld zu begleichen.
    Irgendwo schnaubte leise ein Pferd, es war jedoch nicht Breacas Stute. Stone, den sie in der Zwischenzeit schon wieder ganz vergessen hatte, nahm plötzlich eine steife Haltung an und stupste gegen ihre Hand. Breaca riet und fragte: »Dubornos?« Und stellte dann fest, dass sie in einer Nacht, in der sie sich nur allzu oft geirrt hatte, wenigstens dieses eine Mal Recht behalten sollte.
    Am Rande der Lichtung stand ein schlanker, rothaariger Mann - und irgendwie hatte sie ihn bereits erwartet; er war das letzte noch fehlende Puzzleteilchen gewesen, das das Muster vervollständigte und ihre Familie im Geiste komplett machte.
    Gemeinsam mit Cygfa und Cunomar war Dubornos damals von den Römern gefangen genommen und zwei Jahre lang in Rom festgehalten worden. Im Gegensatz zu Ersteren hatte er allerdings ebenso viele körperliche Narben davongetragen wie seelische. Man hatte ihm sämtliche Finger der einen Hand gebrochen, und an jenen Stellen, an denen die Fesseln ihn in die beiden Handgelenke geschnitten hatten, waren die Sehnen nur noch sehr schwach. Statt mit dem schweren Schild und dem Langschwert, die er beide nicht mehr tragen konnte, kämpfte er nun also bloß noch mit einem langen Messer und der Steinschleuder.
    Groß, dünn und melancholisch wie Dubornos war, hatte er sein gesamtes Leben seit seiner Kindheit der strengen Ausbildung und den Regeln der Sänger gewidmet. Die Schlachten aber hatten ihn auch zu einem Krieger gemacht, und schon lange hatte er die Rolle des Beschützers der Kinder der Bodicea auf sich genommen. Es war also unvorstellbar, dass Graine Mona hätte verlassen können, ohne dass er davon erfahren hätte und ohne dass er ihr gefolgt wäre.
    Er trat einen Schritt von dem Baum fort, an den er sich gelehnt hatte, und es wurde klar, dass seine Gegenwart zumindest für die anderen Anwesenden keineswegs eine Überraschung war. Wahrscheinlich hatte man ihn dazu eingeteilt, auf die Pferde Acht zu geben, und ohne guten Grund hatte er sie jetzt sicherlich nicht verlassen. Cygfa fragte ihn denn auch sofort: »Sind es etwa die Legionen?«
    »Wer denn sonst? Die Späher der Coritani haben deine Fährte schon gestern verloren, und Breacas Fährte war ihnen ja ohnehin nicht aufgefallen, aber Rom hat auch noch eine Fährtenleserin vom Stamm der Ordovizer in seinem Dienst stehen, und die ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt.«
    Cygfa war ebenfalls eine Angehörige des Volkes der Ordovizer, und ihre Mutter war die Anführerin des Stammes gewesen, bis auch sie von den Römern gefangen genommen worden war. Mit blitzenden Augen widersprach Cygfa: »Kein einziger von den Kriegern der Ordovizer würde Geld von den Römern annehmen. Ganz egal, wie viel Gold man ihnen anbieten

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