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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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sie
bisher nur gerochen hatte.
    »Vielleicht hat der Ferdl ja recht«, sagte sie.
    »Das werden wir gleich feststellen.«
    Schwemmer nahm sein Glas, das er auf der Arbeitsplatte
geparkt hatte, und setzte sich zu ihr.
    Er nahm noch eine Nase von dem neuen Spanier, dann
stieß er sein Glas an Burgls.
    »Nieder mit der Hexe«, sagte er.
    Sie lachten beide und nahmen einen ersten Schluck.
    Burgl nickte anerkennend. Aber Schwemmer war nicht
zufrieden.
    »Für zweiundzwanzig Euro hatt ich schon ein bisschen mehr
erwartet«, brummte er. »Vorn ist er ja schön voll, aber hinten fehlt’s.«
    »Der braucht noch Luft«, sagte Burgl.
    »Überhaupt: Ich frag ihn nach einem Bordeaux bis
zwanzig Euro, und er kommt mir mit einem Spanier für zweiundzwanzig.«
    Burgl lachte. »Ein Geschäftsmann ist der Ferdl schon.
Aber vielleicht solltest du auch mal deine Preiskategorien überdenken. Ich
glaub, zwanzig Euro ist albern. Entweder zehn oder fünfzig«, sagte Burgl und
fuhr mit dem Zerteilen der Rohkost fort.
    Schwemmer nahm einen zweiten Schluck, der ihm schon
ein wenig einleuchtender vorkam, und beschloss, mit seinem abschließenden
Urteil noch zu warten. Er dachte über Burgls Bemerkung nach. Da sie höchstens
zu hohen Festen mal fünfzig Euro für eine Flasche Wein ausgaben, dürfte er in
Zukunft in aller Regel nur noch zehn ausgeben. Er würde das ausprobieren, zumal
das seinem Gehalt auch eher entsprach.
    Schwemmer trat an den Herd und warf einen prüfenden
Blick in den Nudeltopf, in dem das Wasser noch ein paar Minuten vom Sieden
entfernt schien. Burgl erhob sich mühsam von ihrem Stuhl und griff nach den
Möhren, die auf der anderen Seite des Tisches standen.
    »Da fällt mir ein …«, sagte Schwemmer und ging aus der
Küche.
    Er nahm den Autoschlüssel vom Haken neben der Tür und
trat hinaus in die kühle Luft des Frühlingsabends. In der Einfahrt schloss er
den Wagen auf und holte die Flasche Franzbranntwein aus der Mittelkonsole, wo
er sie vergessen hatte. Als er wieder in die Küche kam, stand Burgl in
verquerer Haltung am Herd und schüttete Nudeln in das sprudelnd kochende
Wasser.
    »Ist schon Salz drin?«, fragte sie.
    »Nein. Setz dich wieder hin. Ich mach das.«
    »Was ist das?«, fragte sie, als sie die Flasche in
seiner Hand sah.
    »Von Frau Kindel. Damit reib ich dich nachher ein.
Gleich nach dem Essen. Aber nur, wenn du dich jetzt hinsetzt.«
    Gehorsam schlich sie wieder zu ihrem Stuhl. Schwemmer
warf eine Handvoll Salz in den Topf und rührte mit dem Kochlöffel die Nudeln
durch. Er stellte die Eieruhr auf acht Minuten, dann brachte er Burgl die
Flasche Arnika-Branntwein an den Tisch. Sie schraubte die Flasche auf. Als sie
daran roch, kniff sie erschreckt die Augen zu.
    »Huch! Das ist stark. Wie kommst du denn daran ?
Vreni hat mir erzählt, das Zeug sei super.«
    »Tja …« Schwemmer berichtete ihr in kurzen Worten von
Frau Kindels Besuch, den nicht vorhandenen Spuren und dem leicht beunruhigenden
Anruf von Frau Isenwald.
    Als die Nudeln gar waren, schwenkte er sie in dem
superleckeren Steinpilzpesto, das Burgl auf dem Georgimarkt entdeckt hatte, und
servierte sie zu den Entenkeulen, die er ausschließlich leicht gesalzen und
dann bei niedriger Temperatur geduldig gebacken hatte. Burgl hatte den Salat
aus Möhren, Tomaten, Radieschen, Äpfeln und Walnüssen schon auf zwei kleine
Schüsseln verteilt und sah ihm erwartungsvoll entgegen.
    »Danke fürs Kochen«, sagte sie mit warmer Stimme, als
er die Teller hingestellt und sich zu ihr gesetzt hatte. »Ich würd dir ja einen
Kuss geben, aber ich komm nicht dran.«
    Schwemmer erhob sich und beugte sich zu ihr hin, um
das Problem zu lösen.
    Als er nach dem ersten Bissen Ente den nächsten
Schluck von dem Crianza nahm, fand er ihn schon fast überzeugend.
    Ist halt immer auch eine Frage der Stimmung, dachte
er.
    »Die Kindel hat ja seit damals gar nichts mehr
geweissagt«, merkte Burgl zwischen zwei Bissen an.
    »Was weißt du denn darüber?«, fragte Schwemmer.
    »Nur, was die Vreni mir erzählt hat.«
    »Also so ziemlich alles, nehm ich mal an.«
    »Hack nicht immer auf meinen Freundinnen rum«, sagte
sie, aber sie lachte dabei. »Die Kindel hat’s nicht leicht«, fuhr sie ernst
fort. »Ihr Mann und ihre einzige Tochter sind bei einem Autounfall ums Leben
gekommen. Vor neun oder zehn Jahren.«
    »Oh …« Schwemmer zog die Brauen hoch. Davon hatte Schafmann
ihm nichts erzählt.
    »Ja. Und die Tochter hatte zwei Kinder und keinen
Vater dazu. Einen Bub und

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