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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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ist prima«, sagte Petr nur.
    »Hast denn a Ahnung, was mitm Spacko is?«
    »Was soll sein mit ihm?«
    »Was weiß i. Aber seit gestern ist sei Handy aus, und
er ruft a ned zruck.«
    Der Bus kam. Petr stand auf.
    »Du weißt, wie Spacko ist«, sagte er.
    Die Bustür öffnete sich zischend direkt vor ihnen, und
Petr stieg ein, ohne sich noch einmal umzudrehen, aber er setzte sich direkt
ans Fenster und sah auf Severin herab. Seinen Blick empfand Severin als eine
erneute, laute Warnung. Der Bus fuhr an, und Petr war fort.
    Severin blieb auf der Bank sitzen.
    Petr wusste, was gestern Abend am Reschberg passiert
war. Und Schibbsie und Girgl wussten es auch. Er würde doch zum Proberaum
gehen. Er musste mit den beiden reden. Und vielleicht waren sie ja da. Heut war
schließlich Probe, sagte er sich, auch wenn ihm klar war, dass heute kein
normaler Tag für die »Rattenbrigade« war.
    Er beschloss, nach Hause zu fahren und seinen Bass zu
holen. Als er gerade die St.-Martin-Straße überquerte, um zurück zur anderen
Haltestelle zu gelangen, erfüllte ein donnerndes Dröhnen die Luft.
    Mit gerunzelter Stirn sah er sich um. Es schien aus
Richtung Grainau zu kommen.
    * * *
    Frau Fuchsens Miene war betreten, als sie nach leisem
Klopfen Schwemmers Büro betrat.
    »Also …« Sie hob die Hände in einer Geste, als müsse
sie sich für das Folgende im Voraus entschuldigen. »Unten in der Wache ist ein
Herr Kurtzbecker …«
    Schwemmers Gehirn brauchte einen Moment, um den Namen
einzuordnen, und als es ihm gelungen war, konnte er Frau Fuchs verstehen.
    Adolf Kurtzbecker. Wahrsager. Scharlatan.
    »Der fehlte wirklich noch«, sagte er. »Und? Was will
er?«
    Frau Fuchs wirkte erleichtert, dass er sie nicht für
die schlechte Nachricht verantwortlich machte.
    »Er will Sie sprechen.«
    »Dann geben Sie ihm einen Termin. Ende übernächster
Woche etwa.«
    »Nun ja, er will Anzeige erstatten. Gegen die Frau
Kindel.«
    »Warum?«
    »Wegen Betrugs … Außerdem hat er einen Reporter
dabei«, setzte Frau Fuchs leise hinzu. »Den Högewald.«
    Schwemmer stöhnte auf. Högewald war ein in ganz
Oberbayern berüchtigter Boulevardjournalist. Er arbeitete frei und war der
skrupelloseste Tatsachenverdreher, der Schwemmer in seiner Zeit nach Ingolstadt
untergekommen war. Wenn er Kurtzbecker jetzt einfach wegschickte, stünde
spätestens übermorgen ein Bericht in einem der Blätter mit den großen
Überschriften, wie bei der Polizei Garmisch Wahrsager mit unterschiedlicher
Elle gemessen würden.
    Schwemmer tastete über seine Schläfe, die Wunde pochte
vor sich hin.
    Er konnte sich jetzt unmöglich einem Schakal wie
diesem Högewald aussetzen, aus verschiedenen Gründen. Schon weil es noch keine
Presserklärung zum Fall Oliver Speck gab, konnte er jetzt nicht mit einem
Journalisten reden, der bestimmt schon Gerüchte gehört hatte und sie
kommentiert haben wollte. Aber hauptsächlich war Schwemmer einfach nicht in der
Form, die dafür nötig war.
    »Ich bin unabkömmlich«, sagte er zu Frau Fuchs. »Die
Wache wird die Anzeige aufnehmen. Und sagen Sie dem betreffenden Kollegen bitte
von mir, dass die Sache ordnungsgemäß über die Bühne gehen muss. Nicht dass der
Kurtzbecker Anlass zur Beschwerde findet. Er soll also bitte ernst bleiben.«
    »Verstanden«, sagte Frau Fuchs.
    »Und ich brauch ein Auto. Und jemanden, der mich
fährt. Können Sie sich darum kümmern?«
    »Jawohl.« Frau Fuchs ging hinaus.
    Schwemmer wuchtete sich müde aus seinem Drehstuhl in
die Senkrechte und trat ans Fenster. Ein heftiges Verlangen nach frischer Luft
hatte ihn überkommen. Als er es gerade geöffnet hatte, kam von draußen ein
grollendes Donnern, das er sich nicht recht erklären konnte. Er sah nach oben,
aber an dem gescheckten Aprilhimmel war kein Hinweis auf ein Gewitter zu
entdecken. Das Geräusch wiederholte sich nicht. Es hatte weit entfernt
geklungen und ziemlich gewaltig.
    Schwemmer ging zurück an seinen Schreibtisch, mit einem
unguten Gefühl, das ihn nicht täuschen sollte. Es dauerte kaum mehr als eine
Minute, bis das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete.
    * * *
    Dafür, dass er in den letzten vierundzwanzig Stunden
nur drei Stunden im Bett gewesen war, machte Schafmann einen erstaunlich
ausgeschlafenen Eindruck. Er kam vom Bahndepot her, wo mittlerweile eine Menge
Schaulustiger stand, die sich um die »Betreten verboten«-Schilder der
Zugspitzbahn nicht gekümmert hatten. Immerhin ließen sie sich noch mit
Flatterband im Zaum

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