Die Seherin von Garmisch
Ihrer Band noch
jemand das Gebäude?«
»Schibbsies Onkel … Da steht … stand ois voll mit
Zeug.«
»Autoteile«, stellte Schwemmer fest.
»Alte Autoteile. Der hat mal Alfa Romeos gsammelt, und
da war ois voll mit Kotflügln und Scheibn und so Zeug. Aber der war selten da,
der Onkel, eigentlich.«
»Leider sieht es so aus, als habe sich zum Zeitpunkt
der Explosion mindestens eine Person im Haus aufgehalten. Haben Sie eine
Vermutung, wer das gewesen sein könnte?«
Severin sah ihn überrascht und verwirrt an. »Da Spacko
vielleicht?«
Schwemmer überlegte, ob die Spritze bei dem jungen
Mann schon wirkte, und beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
»Oliver Speck wurde gestern Nacht erschossen«, sagte
er.
Severin senkte den Kopf und nickte resigniert. »Hat
die Großmama recht ghabt …«
»Ja. Tut mir leid.«
Der Junge zog die Nase hoch und wandte den Kopf ab.
»Habns schon wen verhaft?«
»Nein. Wer sollte das denn sein, Ihrer Meinung nach?«
Severin zuckte die Achseln. »Der Mann halt, den die
Großmutter gsehn hat.«
»Den kennen wir leider nicht … Wissen Sie, wo Herr
Schieb und Herr Schober sich jetzt aufhalten könnten? Oder haben Sie eine
Vermutung?«, fragte Schwemmer.
»Na …« Severin starrte zu Boden, seine Stimme war kaum
zu verstehen in dem Lärm, den die hin und her laufenden Helfer um sie herum
erzeugten. »Oaner von dene zwoa …« Er verstummte und sah zum Krater hinüber.
Schwemmer legte ihm aufmunternd die Hand auf die
Schulter.
»Noch ist gar nichts sicher«, sagte er.
»De warn a ned in der Schul heut«, sagte Severin.
»Wir brauchen eine umfassende Aussage von Ihnen, Herr
Kindel. Ich lasse Sie jetzt zur Wache bringen, wenn Sie einverstanden sind, da
wird dann alles zu Protokoll genommen.«
Severin nickte abwesend und sah wieder zu den Resten
der Halle hinüber. »Mei Peavey is a hin«, murmelte er.
»Was ist denn das eigentlich, ein Piewie?«, fragte
Schwemmer.
»Peavey?« Der Junge sah ihn verständnislos an. »Des is
mei Bassanlag. Zweihundertfünfzig Watt. Mit zwoa Fuffzehner drin. Den ganzn
letztn Sommer hab i dafür gschuftet. Und jetzat is hin … Is eh ois hin …«
Sein Handy klingelte, er zog es aus der Tasche seiner
Lederjacke, warf einen Blick auf das Display und sah Schwemmer an. »De Großmama
… Hallo …«, meldete er sich dann. »I bin da … in Grainau. Na, i bin gsund … I
muss zur Polizei, habns mir gsagt, grad … ja, jetzt … Is gut, pfüat di.«
Er klappte das Gerät zu.
»Sie hat’s grad im Fernsehen gsehn.«
Schwemmer gab Severin an der Absperrung ab und wies
die Kollegin an, ihn so bald wie möglich bei Schafmann abliefern zu lassen.
Hinter der Reihe geparkter Feuerwehr- und Polizeiautos
standen nun zwei Übertragungswagen, deren Techniker damit beschäftigt waren,
die Parabolantennen auszurichten. Schwemmer entdeckte zwei Kamerateams auf der
Suche nach Interviewpartnern, und es war ihm klar, dass sie binnen weniger
Minuten bei ihm auftauchen würden. Er wappnete sich und gab der Kollegin am
Funkgerät den Hinweis, dass Severin Kindel auf keinen Fall interviewt werden
durfte und sein Abtransport deswegen dringend organisiert werden musste. Er war
einigermaßen erleichtert, als er den jungen Mann in einen Streifenwagen steigen
sah, nur Sekunden bevor eine langhaarige, dünne Mittzwanzigerin ihm ein in
gelben Schaumstoff gehülltes Mikrofon unter die Nase hielt, verbunden mit der
grußlos vorgetragenen Frage:
»Was ist hier passiert?«
* * *
»Du warst im Fernsehen«, sagte Burgl.
»Und? Wie war ich?«
»Mit dem Verband wirkst du ungeheuer männlich.«
»Please don’t forsake me oh my darling …«, sang er leise.
»Na, so männlich jetzt auch wieder nicht.«
Ihre warme Stimme tat ihm gut. Er streckte seine
verspannten Muskeln ein wenig und achtete darauf, hinter dem Mannschaftswagen
außer Sicht zu bleiben. Er brauchte eine Pause. Eine winzige nur, ein paar
Minuten, nur damit er nicht anfing, Leute anzuschreien.
»Wieso bringt jemand eine Rockband um?«, fragte er.
»Kommt auf die Band an. Es gibt ein paar, da würd ich
… entschuldige«, unterbrach sie sich. »Das war unpassend.«
»Ja … Ich glaub, ich hab da ein echtes Problem«, sagte
er.
Plötzlich bog jemand um das Heck des
Mannschaftswagens.
»Ach, hier sind Sie«, sagte Bredemaier und hob sofort
entschuldigend die Hand, als er sah, dass Schwemmer telefonierte. »Ich wollte
nicht stören! Sorry!«
Damit verschwand er wieder, aber Schwemmers
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