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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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Schwemmer.
    »Und ich hab gelesen, Männer über fünfzig würden durch
zunehmende Weisheit attraktiver.« Sie knetete so heftig den Muskel über dem
rechten Schlüsselbein, dass er aufstöhnte.
    »Du meinst, Papier ist geduldig?«, fragte er, als der
Schmerz nachließ.
    »Ich meine, dass du mindestens drei Tage ins Bett
gehörst. Wahrscheinlich hast du auch eine leichte Gehirnerschütterung.«
    Schwemmer streckte die Finger seiner Rechten und
ballte sie dann wieder zur Faust. Prüfend rieb er sich mit dem Zeigefinger über
den Daumen. Er war im Lauf des Tages immer mal wieder taub geworden, meist nur
für ein paar Minuten, aber mittlerweile wurden die Zeiträume länger. Er
beschloss, das unerwähnt zu lassen.
    »Eigentlich waren wir heute Abend zum Essen
eingeladen«, sagte er stattdessen.
    »Ach? Und wieso weiß ich nichts davon?«
    »Ich hab abgesagt.«
    »Na toll. Und wer hätte mich wohin eingeladen, wenn es
dir gepasst hätte?«
    Er erzählte vom überraschenden Auftauchen des EKHK Bredemaier, von seinem wenig
verhohlenen Interesse an Johanna Kindel und der Tatsache, dass er seinen Beruf
offenbar als Hobby betrieb und deshalb in Magdalena Meixners Nobelhotel
abgestiegen war.
    »Dann hab ich also richtig was verpasst, was das Essen
angeht?«, fragte Burgl, während sie bedrohlich an seinen Nackenmuskeln
herumknetete.
    »Nicht noch mal!«, kreischte Schwemmer.
    »Ja, ja, schon gut …« Sie tätschelte friedfertig
seinen Hinterkopf.
    »Bredemaier, Bredemaier …«, murmelte sie. »Irgendwas
klingelt da, in weiter Ferne …«
    »Ehemaliger Handballbundestrainer«, sagte Schwemmer.
»Schreibt sich aber mit ›e‹ im ›ei‹.«
    »Seit wann interessier ich mich für Handball?«
    »Seit du Weltmeister bist.«
    »Na, siehst du. Und mein Trainer heißt Heiner Brand.
Einen anderen kenn ich nicht … Nein, da war was anderes. Komm ich noch drauf.
So, das muss reichen.«
    Sie gab ihm einen Klaps auf den Hintern und deckte ihn
zu.
    »Wann soll ich dich wecken?«
    »Um sechs. Und lass das Telefon hier.«
    »Gut. Schlaf schön.«
    Sie löschte das Licht und ging hinaus. Wahrscheinlich
würde sie unten noch lesen und dabei die zweite Flasche Crianza vernichten.
Schwemmer schloss die Augen. Er versuchte, nicht an Högewald und seine
Schlagzeilen zu denken, was ihm fast gelang.
    Prüfend rieb er über seinen tauben Daumen, bis er
einschlief.
    * * *
    Als Severin eben in die Törlenstraße eingebogen war,
trat eine Gestalt aus dem Schatten der Einfahrt, an der er gerade
vorbeitrottete, und stellte sich ihm in den Weg.
    Severin zuckte zusammen und hob abwehrend die Hände.
Aber es war nicht Petr. Es war Schibbsie. Aufatmend ließ Severin die Schultern
sinken.
    »Oider! Mann, hast du mi derschreckt. Aber super, di
zu sehn.«
    »Ja, super.« Schibbsie trug Schwarz, wie immer, aber
nicht die Lederjacke mit den Aufnähern und dem aufgesprühten Anarcho-A, sondern
einen unauffälligen Blouson, und seinen roten Haarkamm hatte er unter einer
Baseballkappe versteckt.
    »Bist du zufrieden jetzt? War’s das, was du wolltest?«
    Severin schüttelte den Kopf. »Schibbsie, bleib cool,
Mann. Meinst, des geht mir ois am Oarsch vorbei? I bin grad bei de Bulln
abgehaun.«
    »Was hast du denn da überhaupt zu suchen?«
    »Ja, sag amoi, geht’s noch? Meinst, i geh da
freiwillig hi?«
    » Du hast Spacko verpfiffen, gestern. Und jetzt
ist er tot!«
    Severin stieß einen Seufzer aus. Dann setzte er sich
auf die niedrige Einfriedungsmauer der Einfahrt.
    »Was kann i dafür, wenn da Petr an Spacko
derschiaßt?«, fragte er müde.
    »Was? Was redest du denn da? Wieso der Petr?«
    »Wieso ned? Der hat a Pistoln. Und der meint a ,
i hätt euch verpfiffn. Dabei weiß i überhaupt nix.«
    »Der Petr hat eine Pistole? Wie kommst du darauf?«
    »Zeigt hat er’s mir.«
    »Scheiße«, murmelte Schibbsie. Er machte ein paar
nervöse Schritte auf und ab.
    »Deine Tante sorgt sich um di.«
    Schibbsie zuckte die Achseln. »Das ist gerade nicht
mein Hauptproblem.«
    »Sondern was?«
    »Zerbrich dir nicht meinen Kopf.«
    »Deinen Kopf zerbrechn? Da Spacko is tot, unser Raum
is hin, mit meim Peavey und allm, und i soll mir ned deinen Kopf
zerbrechn?«
    Schibbsie machte eine abfällige Geste. »Was weißt du schon?«
    »Ja! Was weiß i? Nix weiß i, aber ihr machts mi an. Was habts denn vorghabt da droben? Was so sakrisch wichtig war, dass da
Spacko dafür draufgangn is?«
    »Das geht dich einen Scheißdreck an.«
    »Okay.«
    Severin stand auf und ging wortlos

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