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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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der Adler mit ihr davon.
    * * *
    Er war bisher überhaupt erst ein Mal krank gewesen,
seit er die Leitung der Kriminalpolizeistation Garmisch-Partenkirchen
übernommen hatte, mit einer infektiösen Darmgrippe, und schon gar nicht war es
in einunddreißig Jahren Ehe vorgekommen, dass Burgl ihn krankgemeldet hatte.
Aber Schwemmer sah sich selbst dazu außerstande. Genau genommen war das
Einzige, was er sich an diesem Morgen zutraute, zu sterben. Das würde er hinkriegen,
aber sonst nichts. Eigentlich konnte er nicht mal liegen, er tat es nur, weil
er alles andere noch weniger konnte.
    Burgl hatte ihm gestern Nacht aus der Apotheke
Zäpfchen mitgebracht, die entkrampfend wirken sollten. Für die hätte sie
eigentlich sogar ein Rezept gebraucht, aber da sie dort als Psychotherapeutin
und Polizistengattin bekannt war, hatte man sie ihr auf Vertrauensbasis
ausgehändigt. Schwemmer hatte seit der Volksschulzeit kein Zäpfchen mehr
verabreicht bekommen, und es war ein Ausdruck seines Zustandes, dass er es
widerspruchslos mit sich geschehen ließ.
    Es hatte insoweit geholfen, dass er schlafen konnte,
wenigstens immer ein paar Minuten am Stück. Als die Nacht vorbei war, fühlte er
sich so schwach, dass Burgl für ihn mit Schafmann sprechen musste.
    Der hatte ihr, wie sie Schwemmer im Flüsterton
berichtete, versichert, alles im Griff zu haben, und dem Chef gute Besserung
gewünscht. Schwemmer hatte das kommentarlos zur Kenntnis genommen.
    »Doktor Vrede wird gleich da sein«, sagte Burgl und vermied,
über sein Haar zu streichen, weil ihm das Schmerzen bereitete. »Aber wenn du
mich fragst: Das kommt vom Nacken.«
    Es war Schwemmer egal. Immerhin hatte der Brechreiz so
weit nachgelassen, dass er es wagte, einen Becher Kamillentee zu trinken. Er schaffte
nicht einmal, sich Sorgen darüber zu machen, dass er sich keine Sorgen darüber
machte, dass Schafmann nun das Chaos verwalten musste, das der Kripo
Garmisch-Partenkirchen gerade vor die Füße gekippt worden war.
    Doktor Vrede kam, und nach ausführlicher Schilderung
der Anamnese durch Burgl und flüchtigem Abtasten von Schwemmers Hals- und
Schultermuskulatur erklärte er, dass das vom Nacken komme. Die verspannten
Muskeln drückten wohl auf einen Nervenstrang. Prophylaktisch riet er zu einer
Röntgen-Untersuchung der Halswirbelsäule, sobald der Patient wieder bei Kräften
war. Dann empfahl er Burgl noch einen sehr trinkbaren Bordeaux für
zweiunddreißig Euro die Flasche, den er am Vorabend degustiert hatte, und
verabschiedete sich mit einem fröhlichen Hinweis auf das phantastische
Frühlingswetter.
    Schwemmer war es egal. An anderen Tagen hätte er ihn
dafür gehasst.
    * * *
    Der Herr Bredemaier hatte vor der Tür gestanden, als
Johanna eigentlich gerade zum Markt wollte. Er hatte tags zuvor zwar angekündigt,
noch einmal wiederzukommen, aber eine Uhrzeit hatte er nicht genannt. Als sie
ihm geöffnet hatte, in Jacke, die Einkaufstasche in der Hand, hatte er freudig
angeboten, sie zu begleiten. Er hatte sich für alles interessiert, was sie
kaufte, zu jedem Marktstand und seinem Betreiber Fragen gestellt, und als sie
ihm erzählte, dass sie Eier, Milch und Butter immer beim Discounter holte,
schien er ein wenig enttäuscht. Sie musste ihm vorrechnen, was es bedeutete,
mit ihrer Rente zwei Halbwüchsige durchzufüttern.
    Sie hatte gerade einen Blumenkohl erstanden, als eine
Frau, die sie überhaupt nicht kannte, sie ansprach.
    »Sie sind doch die Frau Kindel, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete sie zögernd, denn die Frau klang
nicht freundlich.
    »Bringen Sie jetzt auch noch Ihre Enkel in die
Hölle?«, fragte die Frau und sah sie mit vorgeschobenem Kinn an. Sie hatte laut
genug gesprochen, dass einige Umstehende sich zu ihnen herdrehten.
    »Was moanst?« Johanna sah die Frau verständnislos an.
Sie spürte, dass Herr Bredemaier neben sie trat, und empfand das als
ermutigend.
    »Ich nehme an, die Dame liest die falsche Zeitung«,
sagte er. »Lassen Sie uns weitergehen, Frau Kindel.«
    »Falsche Zeitung, ha! Betrügerin! Und der Enkel, der
ist ein Teufelsanbeter!«
    Johanna hatte nicht die geringste Ahnung, von was hier
die Rede war, aber die Frau schien sich ihrer Sache sehr sicher. Sie sah sich
Beifall heischend um. Einige wandten sich angewidert ab, aber etliche blieben
auch neugierig stehen, in den Augen das kleine, hinterhältige Lächeln der Gaffer,
die auf ein Opfer hofften.
    Herr Bredemaier fasste Johanna am Oberarm, um sie
fortzuziehen, aber sie streifte seine

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