Die Seherin von Garmisch
Pause war
damit natürlich beendet.
»Ich muss Schluss machen, meine Liebe«, sagte er.
»Hausl?«
»Ja?«
»Bitte übernimm dich nicht.« Sie legte auf.
Hausl nannte sie ihn nur, wenn es ernst war. Schwemmer
klappte sein Handy zu und folgte Bredemaier, der direkt hinter dem Wagen auf
ihn wartete.
»Starker Tobak«, sagte Bredemaier und schüttelte
Schwemmer die Hand.
»Wenn das BKA das schon findet, können Sie sich denken, was Garmisch-Partenkirchen davon
hält.«
»Wussten Sie, dass die Kindel das auch vorhergesehen
hat?«
»Was heißt ›das‹? Das hier?« Schwemmer wies zum
Krater.
»Eine Explosion. Sie hat eine Explosion gesehen.«
Schwemmer sah ihn verständnislos an. »Warum hat sie
uns nichts davon erzählt? Und woher wissen Sie das eigentlich?«
»Sie hat es mir erzählt. Und sie hat es Ihnen nicht
erzählt, weil sie nur die Explosion gesehen hat. Nicht den Ort. Und die Zeit
sowieso nicht.«
»Aha. Und?«, fragte Schwemmer.
»Na immerhin«, sagte Bredemaier.
Schwemmer brauchte einen Moment, um sich zu sammeln.
»Hören Sie, Kollege: Informationen, die mir nicht
unmittelbar weiterhelfen, kann ich momentan nicht gebrauchen. Wir werden zu
gegebener Zeit über Frau Kindel und über Sie und Ihre Aufgaben reden. Aber
nicht jetzt.«
»Schade«, sagte Bredemaier.
»Da haben Sie recht.« Er musterte den BKA -Mann von oben bis unten. Weder Anzug
noch Schuhwerk waren Ort und Situation angemessen. Er fragte sich, was dieser
Mann eigentlich hier wollte. Routine im Spurensichern konnte man bei ihm kaum
voraussetzen, und die Uniformierten würden auf seine Hilfe beim Sichern der
Absperrung sicher auch keinen Wert legen.
Schwemmer sah sich um. »Sehen Sie da vorne den
Feuerwehrmann?«, fragte er.
»Ja«, sagte Bredemaier. »Warum?«
»Das ist Hauptbrandmeister Hasenberg. Gehen Sie zu
ihm, und tun Sie, was immer er von Ihnen möchte.«
Bredemaier sah ihn verständnislos an, aber Schwemmer
ließ ihn einfach stehen. Später, das THW hatte gerade zwei Scheinwerferbatterien aufgebaut, sah er Bredemaier
Mineralwasserflaschen unter den Feuerwehrleuten verteilen.
Schwemmer nickte zufrieden und gab das nächste
Interview. Er hatte aufgehört zu zählen. Immerhin hatte außer dem Lokalreporter
vom Tagblatt noch niemand eine Verbindung zwischen dem Toten im Wald und der
Explosion hergestellt, wahrscheinlich weil es über den Toten bisher kaum
Informationen gab. Die Spekulationen würden früh genug ins Kraut schießen, und
Schwemmer achtete darauf, so zurückhaltend wie möglich zu bleiben, was ihm
leichtfiel.
Weiter hinten sah er Högewald stehen. Die dürre
Gestalt war leicht an dem unvermeidlichen Trachtenhut mit Gamsbart zu erkennen,
der wegen der einsfünfundneunzig seines Trägers meist über den Köpfen der
Umstehenden schwebte. Högewald hatte sich noch nicht um ihn bemüht, und wie
Schwemmer ihn einschätzte, würde er sich einen so reißerischen Aufmacher nicht
durch unnötige Recherche kaputtmachen. Dass Kurtzbecker neben ihm stand, war
allerdings zusätzlich beunruhigend. Schwemmer warf einen Blick auf die Uhr. Es
ging auf acht zu. Er beendete das Interview und machte sich auf die Suche nach
Dräger, den er bald in der Nähe des Waldrandes ausmachte, wo ein ganzer Pulk
Batterieleuchten die Wiese erhellte.
Als Schwemmer ankam, hob Dräger gerade mit der
Pinzette einen dünnen, gut fünfzehn Zentimeter langen Streifen Irgendwas vom
Boden auf, begutachtete ihn und ließ ihn in eine seiner Plastiktüten fallen,
die ein Kollege ihm offen hinhielt. Die Tüte wurde mit einem Aufkleber versehen
und in einem Kunststoffcontainer verstaut.
»Bisher kein Hinweis auf eine zweite Person«, sagte
Dräger. »Wenn sich das ändert, sind Sie der Erste, der’s erfährt.«
»Schön«, sagte Schwemmer. »Sonst was? Mann, Frau?
Jung, alt?«
Dräger zeigte mit dem Kopf zu der Stelle, wo sie den
Fuß gefunden hatten. »Da drüben ist Doktor von Pollscheidt. Vielleicht kann der
Ihnen was sagen«, sagte er und wandte sich wieder dem Boden zu.
Schwemmer ging zum Waldrand. Der gelbe Kotflügel lag
umgedreht neben der Fundstelle, der Fuß war verschwunden. Von Pollscheidt
kniete ein paar Meter weiter neben einer Motorhaube. Er hob sie an, sah darunter
und legte sie wieder hin. Von Pollscheidt war von der Rechtsmedizin in München.
Eigentlich ein sympathischer Mensch, aber seine penetrant gute Laune konnte
anstrengend werden.
»Da brauchen Sie nicht suchen, Herr Doktor, da hat
Dräger schon alles abgegrast«, sagte
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