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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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größten
Teil des Wohnraums sehen. Neben dem Mann kniete ein Notarzt, der ihnen aber
sofort mit einem Kopfschütteln zu verstehen gegeben hatte, dass hier nichts
mehr zu machen war. Weiter hinten in der Wohnung war Dräger dabei, sich ein
Bild zu machen. Der Nächste, den Schwemmer reinwinkte, war Drägers Fotograf.
    Drei uniformierte Kollegen hatten die undankbare
Aufgabe, die anderen Mieter des Hauses dazu zu bringen, in ihren Wohnungen zu
bleiben. Aus der gegenüberliegenden Tür hatte nur kurz ein sehr mürrisch
dreinblickender alter Mann geschaut und sie dann wieder geschlossen, aber in
den anderen beiden Stockwerken traf ihr Auftritt auf größtes Interesse. Vor
allem zwei etwa sechsjährige Buben im zweiten Stock turnten am Stiegengeländer
herum und waren ganz aus’m Häusl über das Abenteuer, die Polizei vor der Tür zu
haben.
    Nachdem der Fotograf die Lage der Leiche ausreichend
dokumentiert hatte, drehte der Arzt den Toten um.
    Das Jackett des Mannes und das dezent gemusterte,
marineblaue Hemd darunter wirkten elegant und teuer, waren allerdings durch
zwei Einschüsse ruiniert. Vor allem der in der Unterbauchgegend hatte einen
großen Blutfleck zur Folge gehabt, der zweite hatte ziemlich genau ins Herz
getroffen.
    Der Mann schien nordafrikanischer Herkunft. Sein
Haarschnitt war modisch kurz, die Wangen waren glatt rasiert.
    Schafmann schüttelte den Kopf. Nach Severin Kindels
Beschreibung war dies nicht der gesuchte Petr.
    »Es gibt einen Einschuss in der Wand neben dem
Fenster. Und Blutspuren«, sagte Dräger von hinten. »Nicht vom Opfer, wenn ihr
mich fragt. An der Gardine, am Türrahmen zur Diele und an der Wohnungstür.«
    Schwemmer versuchte, sich auf die Informationen einen
Reim zu machen. Schafmann versuchte, schneller zu sein.
    »Der Mann hier hat mindestens zwei Kugeln auf einen
Menschen in der Wohnung abgefeuert, der hat zurückgeschossen. Beide haben
getroffen, der andere allerdings tödlich. Der andere ist verletzt, kann aber
die Wohnung verlassen …«
    »Darf ich mal durch«, hörten sie eine satte
Baritonstimme aus dem Erdgeschoss. Mit seinem Dienstausweis wedelnd drängte EKHK Bredemaier sich an den Kollegen
vorbei die Stiege zum ersten Stock herauf. Schwemmer und Schafmann sahen ihm
stumm entgegen, aber er schien das nicht als Missbilligung aufzufassen.
Bredemaier war sichtlich guter Laune.
    »Liebe Kollegen, wenn ich geahnt hätte, wie aufregend
ihr netter, kleiner Ort ist, hätte ich Sie viel früher mal besucht.«
    Dass er keine Antwort erhielt, störte ihn nicht
merklich.
    »Darf ich mal?«, fragte er und zwängte seinen Kopf in
den Türrahmen. »Ah ja«, sagte er nach einem kurzen Blick auf das Opfer und zog
den Kopf wieder zurück.
    »Hat Frau Kindel das hier auch vorhergesagt?«, fragte
Schwemmer.
    »Nein, das hat sie nicht. Aber sie hat ja auch nie
Anspruch auf Vollständigkeit erhoben … Ganz im Gegensatz zu unseren
Dienstvorschriften, nicht wahr?« Bredemaier lächelte vergnügt.
    »Es freut mich, Sie guter Laune zu sehen, Herr
Bredemaier«, sagte Schwemmer. »Aber nach drei Toten in vier Tagen werden Sie
mir verzeihen, dass ich die nicht teilen kann.« Ein bisschen freute Schwemmer,
dass sein Gehirn wieder solche Sätze zu bilden in der Lage war. Es ging ihm
offenbar wirklich besser.
    »Haben Sie in der Wohnung nach einem Handy gesucht?«,
fragte Bredemaier, der offenbar nicht willens war, sich von der herrschenden
dienstlichen Ernsthaftigkeit beeindrucken zu lassen.
    »Herr Kollege, wir suchen nicht nach etwas«, sagte
Schafmann. »Wir schauen, was wir finden.«
    »Das ist natürlich richtig so, Herr Hauptkommissar
Schafmann. Aber falls Sie ein Handy finden sollten, empfehle ich, es als Erstes
zu untersuchen.«
    »Mit Handys haben Sie’s, hm? … Herr Kommissar Dräger«,
rief Schwemmer mit genervtem Unterton in die Wohnung hinein. »Haben Sie ein
Handy gefunden?«
    »Ja«, war die Antwort.
    Bredemaier strahlte. »Angeschaltet?«, rief er.
    »Nein.«
    »Schade. Chipkarte drin?«
    »Moment … ja.«
    »Danke!«, rief Bredemaier Dräger zu.
    Er griente Schwemmer an, und der hatte den Eindruck,
dass der Mann zu dieser Vormittagsstunde schon leicht rauschig war.
    »Ich wette, das ist eines von denen, die oben am
Reschberg waren«, sagte Bredemaier.
    Schwemmer und Schafmann tauschten einen beherrschten Blick.
»Danke für die Beratung«, sagte Schafmann.
    »Keine Ursache«, antwortete Bredemaier. »Dieser Tote,
der erinnert mich an etwas. Da war eine Sache, die von den

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