Die Seherin von Knossos
Kenntnisse mit ihnen zu Grabe getragen.«
»Es wäre ein kostspieliger Rettungsversuch«, sagte Zelos.
»Und nicht zu vergessen gefährlich«, fügte Posidios hinzu.
Sie fuhr zu ihm herum. »Ich bin willens, mich der Gefahr zu stellen, doch wir dürfen keine Zeit verlieren.« Sie sah erneut Zelos an. »Darf ich fahren?«
»Sag meinen Schreibern, was du brauchst«, willigte Zelos ein. »Berichte mir heute Abend, was du erreicht hast.« Er fing Posidios’ verstörten Blick auf und fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Zelos würde vielleicht in dieser Angelegenheit die Forderungen seiner arroganten Nichte hinnehmen müssen, doch er würde schon dafür sorgen, dass sie auf seiner Liege entsprechend erniedrigt würde.
Als Zelos sie fortschickte, grinste Posidios ihr zum Abschied nach.
»Bis unsere Augen dich wieder erblicken, liebe Sibylla.«
Sie sah ihn unsicher an, und Zelos lachte.
Dion rutschte zur Seite. Die knochige Hüfte der Frau bohrte sich in seine Seite, darum drehte er sich um, wobei er sich je-doch in den Haaren der anderen Frau verfing, die immer noch um seine Finger gewunden waren. Der Junge war zu seinen Füßen eingeschlafen, die Hände um die Brüste der Rothaarigen geschlossen, den Mund warm und offen an Dions Schenkel.
Darauf bedacht, seine Gefährten nicht aufzuwecken und ohne eine genaue Erinnerung daran, was geschehen war, löste sich Dion behutsam von den drei schlafenden Gestalten. Sein Mund fühlte sich an wie mit Schafsvlies gefüttert, und die Munddek-ke kribbelte unter Stichen, die gleichzeitig kitzelten und schmerzten. Weinamphoren lagen leer und zum Teil umgekippt auf Boden und Tischen. Töpfe voller Mohn waren zu grauer Asche verglommen, und die Kreenos-Tiegel, die ... er konnte sich weder an ihren Namen noch an ihren Titel erinnern . gebracht hatte, waren zu einer Pyramide aufgestapelt.
Bei den Steinen Apis’, dekadent zu sein war schwere Arbeit.
Unsicher erhob er sich. Leiber - von Tänzerinnen, Studenten, Sippenbrüdern und anderen, die ohne jede Kleidung nur schwer zu identifizieren waren - lagen überall im Raum herum. Der scharfe Gestank von Erbrochenem stieg in seine Nase, als er sich mit der Hand über Gesicht und Haar fuhr, ehe ihm aufging, dass er von ihm selbst ausging.
Dion nahm ein Tuch vom Boden auf und schlang es um seinen Leib, auch wenn ihm vom Bücken schwindlig und übel wurde. Sein Kopf klopfte, und seine Nase fühlte sich an, als hätte ein Ägypter versucht, ihn einzubalsamieren, und ihm dabei das Gehirn durch die Nasengänge gezogen.
Sonnenstrahlen durchbohrten die Leinen vor den Fenstern, und Dion drehte sich um, weil er sich beobachtet fühlte. Er winkte der Frau in der Tür, dann fiel ihm ein, dass er seinen Schurz mit der Hand fest gehalten hatte, und er zog ihn schnell wieder zurecht. Selena lächelte und nickte.
»Verflucht seist du dafür, dass du an diesem Morgen so munter wirkst«, knurrte Dion und verzog das Gesicht, weil die Worte in seinem Kopf zu dröhnen begannen und neue Kopfschmerzen auslösten.
»Wie oft habe ich dich schon so gesehen?«, erwiderte seine Sippenschwester. »Mit tausend Männern und Frauen hast du dich vergnügt und bist mit ihrem Duft aufgewacht. Was suchst du eigentlich, Dion?« Die Unterschiede zwischen ihnen beiden kamen ihm an diesem Morgen noch verstärkt und auf gemeine Weise übertrieben vor.
Im Gegensatz zu ihm, dem Klebrigen, Benebelten, verlor die Erbin des Schlangenkultes niemals den Kopf. Selena, eine seiner Schwestern, die Zelos ihm geschenkt hatte, diente dem Verstand, wo er der Leidenschaft diente. Sie schien es ausschließlich nach Macht und Wissen zu gelüsten. Auch wenn ihre Schönheit atemberaubend war, wirkte sie zugleich auf eigentümliche Weise geschlechtslos. Es war ein verstörender Charakterzug so früh am Morgen, vor allem, nachdem er sich nicht einmal mehr an die vergangene Nacht erinnern konnte. Dion stöhnte und ließ absichtlich den Schurz fallen. »Keinen Tadel heute morgen, Selena. Ich kann ihn nicht ertragen.« Er sah an ihr vorbei. »Ist der Gang frei?«
»So wie du im Moment aussiehst, glaube ich, dass nicht einmal du verfolgt und angehimmelt würdest«, antwortete Selena. Sie streckte ihm den Kapuzenumhang hin, der über ihrem Arm hing. »Trotzdem bin ich vorbereitet.« Dion stieg über ein schlafendes Mädchen hinweg und ließ sich von Selena das Cape überstreifen. »Zelos hat dir eine Botschaft gesandt.«
Dion blieb stehen und hatte schlagartig alle Übelkeit,
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