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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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aller Liebe, die du je für mich empfunden hast ...«
    »Ich hasse dich«, sagte Atenis ganz ruhig. »Was du mir genommen hast, hätte ich vielleicht nie gebraucht. Ich habe kein Interesse am Heiraten und Kinderkriegen; das wäre auch so, wenn ich nicht verstümmelt wäre. Doch Irmentis hast du das Herz gebrochen, du hast sie in ein wildes Wesen verwandelt. Damit hast du auch Phoebus zutiefst verletzt, mit einer Pothos-Liebe, die an ihm, seinen Zielen, seinen Träumen fraß. Und schließlich hast du ihn ohne Hoffnung auf ein Nachleben sterben lassen.«
    Cheftu beobachtete, wie Atenis von der Wand weg trat. Inmitten des Blutbades stand ein mit Wasser gefülltes marmornes Läuterungsbecken. Nestor und Dion gingen auf Ileana zu.
    »Dion, lass sie nicht ...«
    Ileanas Worte verstummten, als sie in das Bad getunkt wurde.
    Cheftu stand reglos dabei, bis sie keuchend und triefnass wieder hoch gezogen wurde.
    »Ich habe dir versprochen, dass du deinen Tod auskosten würdest.«
    Cheftu lauschte dem Schweigen, das auf Dions Worte hin eintrat. Ileanas Schminke zerrann, das Haar klebte ihr am Kopf. Sie schlotterte und hatte ihren gebrochenen Finger allem Anschein nach vergessen. Sie halfen ihr aufzustehen und lösten sich dann von ihr.
    »Sollen wir jetzt gehen, Ileana? Der Tod erwartet dich«, sagte Atenis.
    Die Himmelskönigin machte zaghaft einen Schritt nach vorn, dann rannte sie los, aus der Tür hinaus in den Gang. Weder Atenis noch Dion rührten sich vom Fleck, beide lauschten wie erstarrt ihren Schritten. »Sie entkommt!«, brüllte Nestor.
    Mit leerem Blick drehte sich Atenis um. »Ihr wird Gerechtigkeit widerfahren. Irmentis und ihre Hunde sind wieder frei.« Ein Rumpeln war von oben zu hören und ein Regen von feinen Verputzstücken rieselte auf sie herab.
    »Ileana wird ihre Schuld begleichen.«
    »Ich kann das nicht mit ansehen«, sagte Cheftu und ging auf die Tür zu. Dion und Nestor packten ihn an beiden Armen. In der eingetretenen Stille sah Cheftu auf. Irmentis stand in der Tür, blutverschmiert und verklebt, mit dicken Fingernägeln und knotigem Haar; sie sah aus wie die Verkörperung der Hölle. Atenis umarmte ihre Schwester. Cheftu sah, wie die Klinge, die bösartig gekrümmte Klinge, von einer Hand in die andere wechselte. Irmentis zuckte zusammen und fragte leise: »Ist sie das?«
    »Ja, meine Kleine«, antwortete Atenis. »Genau die. Ich habe sie für dich aufbewahrt. Diese Schlacht sollst du gewinnen.«
    In einem fernen Abschnitt des Palastes begannen Hunde zu bellen, und ein tiefer, menschlicher Schrei stieg darüber auf. Cheftu wand sich im Griff seiner Fänger. Was hatten sie vor? Irmentis steckte die Klinge in den Bund ihrer Tunika und verschwand.
    »Was für eine Art von Gerechtigkeit ist das?«, fragte Cheftu leise. »Wie kann ein Mord das Geringste ihrer Verbrechen sein? Wieso bekommt sie die Möglichkeit, in die Ewigkeit einzugehen?«
    »Ileana hat viele Leben zerstört, Ausländer«, sagte Dion.
    »Sie hat ihren Vertrauten die gesunden, schlagenden Herzen aus dem Leib gerissen. Ihre Opfer waren dazu verdammt, von da an mit einer klaffenden, qualvollen und nie verheilenden Wunde durchs Leben zu gehen.«
    Er ließ Cheftu den ganzen Zorn in seinem düsteren Blick erkennen. »Sag, Spiralenmeister, ist es schlimmer, ein ganzes Leben zu verletzen und zu vergiften, oder es einfach auszulöschen?«
    Cheftu senkte den Kopf. Er hatte kein Recht, ein Urteil zu fällen.
    »Ileana wird eine Kostprobe von den physischen Schmerzen bekommen, die sie Irmentis erleiden ließ«, fuhr Dion fort. »Es wird ein rein physischer Schmerz sein, doch ich glaube, mehr kann Ileana ohnehin nicht empfinden. Nach dem Tod wird sie das Urteil für ihre Taten aus der Hand der Götter erhalten. Unsere Geliebten sind Skia, doch Ileana wird ihre Schuld bis in alle Ewigkeit begleichen.«
    »Die Gerechtigkeit hat gesiegt«, schloss Atenis.
    Chloe kam wieder an die Oberfläche, nach Luft schnappend und im rauen Wasser strampelnd. Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu orientieren, dann merkte sie, was sich verändert hatte. Das Wasser stand fast bis zur Höhlendecke! Die Insel versank! Oder stieg das Wasser an?
    Mein Gott, sie hatte diese Menschen in den sicheren Tod geführt.
    Nachdem sie tief Luft geholt hatte, tauchte sie hinab und tastete nach jedem Einzelnen. Einen nach dem anderen brachte sie an die Wasseroberfläche, um gleich wieder abzutauchen. Als sie alle beisammen hatte, blieb sie oben.
    »Hat jeder«, hechelte sie,

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