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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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sich bereits zusammengerollt und ihren Leib mit einem dicht gewebten Umhang zugedeckt.
    Seit er mit angesehen hatte, wie sein Onkel Nektros litt, wusste Dion, dass die Sonne sie trotzdem verbrennen würde, auch durch den Stoff hindurch. Er schob das Schiff in das raue Wasser und ruderte mit aller Kraft, bis sich Schweißrinnsale durch den Staub auf seinem Körper zogen. Die abgeflachte
    Spitze der aztlantischen Pyramide leuchtete bereits in der aufgehenden Sonne.
    Sein Kopf dröhnte, als er das Boot durch die tosende See ruderte, in Gedanken bei der vergangenen Nacht, den an Kratzwunden gestorbenen Hirschen. Wodurch war dieses Erdbeben ausgelöst worden? Hatte Irmentis neue Lebenskraft aus dem Sterbenden gezogen? Schließlich glitt das Boot in den Tunnel unter der Insel Aztlan, unterhalb des Labyrinths - dessen Name nicht ausgesprochen werden durfte -, in dem die wenigen Verbrecher gefangen gehalten wurden, die von den Sippen ausgebrütet wurden.
    Die Frauen wurden von den wartenden Leibeigenen in Empfang genommen, und Dion ruderte zu seiner kleiner Bucht, wo er das Boot festband und die glitschige Treppe zu seinen Gemächern hinaufstieg. Nackt und schmutzig, wie er war, dankte er im Stillen wieder einmal für seinen geheimen Zugang, durch den er unbeobachtet kommen und gehen konnte. Erschöpft ließ er sich gegen die Tür sinken.
    Die dunkelhaarige Nymphe, die seine Kammerdienerin, seine Leibeigene und in fast alle seine Geheimnisse eingeweiht war, erwartete ihn mit ausgestreckten Armen. In ihr begrub er seine Ängste und Zweifel ebenso wie das nicht abzuschüttelnde Gefühl von Verlust, das seine ganze Welt durchdrang. Er fuhr mit den Fingern durch ihre Locken und nahm sie in die Arme. Auf diese Weise konnte er vergessen.
    ÄGYPTEN
    Imhotep beobachtete seinen Patienten. Fieber hatte den Mann gepackt, er warf sich herum und murmelte im Schlaf. Das Hanfseil, das ihn davor bewahrte, sich selbst zu verletzen, schnitt in seine Arm- und Fußgelenke. Ohne die Fesseln, so fürchtete Imhotep, würde der Patient die Umschläge losstram-peln und sich womöglich noch mehr Schaden zufügen. Imhotep hatte sich in den Kopf gesetzt, dass dieser Mann nicht sterben durfte.
    Imhotep hatte eine Wette zu gewinnen.
    Der Patient brüllte etwas Unverständliches, in wilder Verzweiflung, dann sank er in ruhelosen Schlaf. Wenigstens war das Koma, der gefürchtete Todesschlaf, gebrochen. In seinem Patienten brannte nach wie vor das Fieber, und trotz aller Besserungsanzeichen hatte Imhotep immer deutlicher das Gefühl zu versagen, wenn er den heißer und heißer werdenden Leib betrachtete. Nur das nach altem Brauch bandagierte Gesicht des Opfers und sein Geschlecht waren unversehrt.
    Falls der Mann überlebte, würde er Ptah, dem Gott des Schlammes, der den Dung ausbreitete, eine Menge Bier und Brot schulden. Der Dung hatte das Gewicht des Rindes, das über ihn getrampelt war, abgefedert. Trotzdem, drei gebrochene Rippen, zwei gebrochene Finger, ein gebrochenes Fußgelenk und innere Blutungen waren schwere Verletzungen.
    Die größten Sorgen macht sich Imhotep über das Ka des Mannes. Der Magus spürte, dass der Mann sterben wollte; sein Ka umarmte bereits den Ukhedu. Sein Körper war ständig heißer geworden, so heiß sogar, dass Imhotep ihn rasiert und den Nicht-Priester von seinem schweren schwarzen Haar wie auch von der Matte auf Brust und Beinen befreit hatte. Trotzdem war das Fieber weiter angestiegen.
    Sie hatten seinen Leib gewaschen und mit Brechmitteln durchgespült; erfolglos - immer noch stieg das Fieber an.
    Imhotep ging im Zimmer umher und versuchte, den wabernden Weihrauchqualm mit Blicken zu durchdringen. Er löschte die dröhnenden Priestergesänge um Heilung oder Tod aus seinen Gedanken. Aus Gründen, die ihm selbst nicht ganz begreiflich waren, wollte Imhotep unbedingt wissen, wer dieser Mann war und wie er unentdeckt in die Tiefen des Tempels gelangen konnte.
    Er wollte Antworten. Der Mann musste zur Besinnung kommen. Imhotep drehte sich zu den Sklaven, Priestern und Frauen um. »Hinfort!« Augenblicklich ergriffen sie vor seinem abstoßenden Gesicht und seinen rasselnden Zähnen die Flucht.
    Mit einer behänden Geste zog Imhotep das Päckchen hervor, das er stets dicht am Körper trug. Eines der Mysterien von Aztlan. Die Macht seiner Ahnen. Mit einer schnellen Bewegung schöpfte er Asche aus der Kohlenpfanne und bereitete sie auf dem Boden aus, bis sie einen Kreis bildete, der genauso groß war wie die Bettstatt des

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