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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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des Daedaledions. Chloe blickte zum Himmel auf. Die Alten waren besessen von Astronomie und Astrologie. Chloe hatte hin und wieder ihr Horoskop in der Fernsehzeitschrift nachgeschlagen oder im Chinarestaurant ihr »Tierkreiszeichen« im chinesischen Horoskop herausgesucht, doch diese Menschen hier richteten ihr gesamtes Leben nach den Sternen aus.
    Was machten sie wohl, wenn es bewölkt war?
    »Ich wünsche dir Glück«, sagte der hagere Junge in seinem Umhang. Nach einem sanften Schubs stand Chloe in einem Alkoven. »Sibylla«, rief sie in ihr Inneres, »ist das ein Ritual?«
    »Ja«, antwortete Sibylla gepresst. »Es ist eines, aber ich bin zu müde, um es auszuführen.« Dann hängte sie ein geistiges »Bitte nicht stören«-Schild vor die Tür und ließ Chloe allein zurück.
    Das Wort »Allein« hatte für Chloe mittlerweile viele Bedeutungen angenommen. Doch dieses »Allein«, so ganz ohne Sibyllas kontrollierendes Bewusstsein, war wirklich gespenstisch. Wo war sie? Was wurde von ihr erwartet? Sibylla öffnete die Tür einen Spaltweit. »Das ist die Rennbahn des Daedaledions. Hier sollst du für dein Rennen gegen Ileana üben.« Sie knallte die Tür wieder zu, und Chloe war ziemlich sicher, dass Sibylla auch den mentalen Sperr-Riegel vorgeschoben hatte, falls es so etwas geben sollte.
    Chloe trat tiefer in die Dunkelheit. Drei Stunden, ehe der Mond in der richtigen Position war. Na klar. Richtig wozu, wusste sie nicht, aber offenbar sollte sie auf die andere Seite kommen. Zu beiden Seiten verliefen hohe Mauern, und sie folgte ihnen mit entschiedenem Schritt, bis sie in einer Sackgasse landete.
    Fluchend machte Chloe kehrt. Wo hätte sie abbiegen müs-
    sen? Sie verfolgte ihre Schritte zurück und entdeckte, dass sie weiter gelaufen war, als sie gedacht hatte. Sie landete in der nächsten Sackgasse.
    Obwohl sie die Fäuste gegen ihre unbegründete, stärker werdende Angst geballt hatte, musste Chloe an sich halten, um nicht laut zu schreien. Sie befand sich in einer Art Labyrinth. Sie war in Kew Gardens gewesen, jenem verspielten Buchsbaum-Irrgarten; schwieriger konnte das hier kaum sein. Wo geht’s jetzt lang?, dachte sie.
    Also gut. Labyrinthe sind oft als Motive angelegt. Von den Aztlantu bevorzugte Muster blitzten in ihrem Kopf auf. Spiralen, Griechische Schlüssel, Sterne ... ein Dutzend weitere, die nicht so leicht zu benennen waren. Sie drehte sich um und betrachtete die Wände. Lang, geradegezogen, im rechten Winkel versetzt. Chloe kniff die Augen zusammen und studierte die gegenüberliegende Wand. Sie ging hinüber und fuhr behutsam mit der Hand darüber.
    Ein Durchgang. Schmal, aber als Durchgang gedacht. Handelte es sich hier um ein Muster im Muster? Wie sollte sie wieder herausfinden? »Wo ist eine Garnrolle, wenn man mal eine braucht?«, murmelte sie. Mit einem letzten Blick zurück trat sie in den nebenan liegenden Gang. Sie ging geradeaus durch, über zwei Querwege hinweg, die beinahe im rechten Winkel kreuzten. Der Pfad bog scharf links ab, und sie ging eine scheinbar noch längere Strecke geradeaus.
    Mondlicht tunkte das Labyrinth in Schatten und Silber. Der Mond nahm ab, die Göttin war im Blut, in ihrer Phase als mittelalte Frau, bevor sie als altes Weib sterben würde. Noch eine scharfe Biegung, wieder nach links. Chloe rannte den Weg entlang und bog erneut scharf links ab. Sie war in einer Art Muster gefangen.
    Irgendwo musste es in einem dieser Abschnitte einen Durchlass zu dem anderen Weg geben. Sie schaute nach links, dann nach rechts - es gab keinen wahrnehmbaren Unterschied, also entschied sie sich für rechts. Ich bin schon die ganze Nacht nach links gegangen, dachte sie. Sie hörte sich laut atmen, während ihre Hände über die Mauer fuhren. Da!
    Chloe trat zurück in den anderen Bereich des Labyrinths. War sie hier schon einmal gewesen? Von heute an werde ich immer ein Stück Kreide bei mir tragen, gelobte Chloe im Stillen. Sibylla äußerte sich nicht dazu.
    Die Wege waren hier länger, die Biegungen nicht so scharf. Chloe hielt sich weiterhin links, nun wurden die Abstände allerdings immer kürzer. Es ist ein griechischer Schlüssel, dachte sie erleichtert. Die letzten Strecken legte sie laufend zurück, stieß sich dabei in den Ecken mit den Händen von den Wänden ab, bis sie schließlich in der Mitte ankam, gerade als die kleine Lichtung vom Mondlicht überschwemmt wurde.
    Schweiß klebte an ihr, allerdings eher aus Angst und Nervosität als wegen der Anstrengung. Sie schaute

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