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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Wieso niedergetrampelt? Wieso von Chloe getrennt?
    Wieso empfand er dieses Unbehagen?
    Angewidert schleuderte er den Becher an die Wand, sah das zerbrechliche Alabaster zerschmettern und die weiße Wand beflecken. Ein Augenblick der Genugtuung zerschmolz in tiefe Reue und Scham, weil er sich so hartleibig seinem Glück gegenüber zeigte. Nachdem er die Sandalen festgeschnürt hatte, verließ er den Palast, ohne Wachen, Sklaven oder Träger.
    Sein Weg führte ihn durch die übel riechenden Gärten, an den Pfützen voller Mücken und den verrottenden Blumenbeeten vorbei. Zur Stadt hin waren die Palasttore geöffnet, bewacht von zwei jungen Soldaten. Sie salutierten vor ihm, und er spürte einen schmerzhaften Stich; hier wurde sogar anders salutiert.
    Die Straße verzweigte sich. Er konnte entweder zu den Villen der Adligen am Flussufer weitergehen, oder zu dem Markt, der sich durch die ärmeren Stadtviertel zog, wo Sklaven und Tiere, Obst, Gemüse und andere Waren gehandelt wurden, oder aber zum Hafen spazieren. Cheftu schlug den Weg zum Hafen ein, wo er zuschaute, wie die Ägypter um Fisch feilschten, die Prostituierten mit schwarzzähnigem Lächeln ihre Ware aufblitzen ließen und die Kinder bettelten. Sein Bein schmerzte, doch sein Herz schmerzte noch viel mehr. Das hier war nicht Ägypten.
    Am Ufer herrschte Chaos. Männer, Katzen und Kinder schienen mit ihrem Handeln, Feilschen und Betrügen Re selbst anzuschreien. Den Umhang tief ins Gesicht gezogen, lehnte sich Cheftu gegen eine Wand und besah sich die Szene.
    Papyrusboote schaukelten neben den Flussbooten mit ihren hohen Masten und Mittschiffs-Kabinen auf dem Wasser. Die Barke eines Adligen, erkennbar an den goldbeschlagenen Rudern - was für eine lächerliche Goldverschwendung -, legte am Kai an. Unverzüglich war sie umringt von Schleppern, die überteuerte Speisen und Vergnügungen anpriesen, sowie von Kindern, hinter deren schmalen schwarzen Augen sich diebische Absichten verbargen. Die Hafenarbeiter senkten eine Rampe herab, und die Schiffsreisenden gingen an Land.
    Zuerst kamen die Frauen, mit Gewissheit die Blumen Ägyptens dieser Generation, dachte Cheftu. Ihr Leinen war fein gewebt, ihre Gesichter waren durch Schminke und die Fächer der nachschreitenden Sklaven geschützt. Sie waren zwar schön, doch sie wirkten auch kalt und überheblich, sodass Cheftu nicht den Wunsch verspürte, hinter ihre bemalten Masken zu blicken. Eine Gruppe von Männern folgte; die Hungersnot war ihren muskulösen, braunen, haarlosen Körpern kaum anzumerken.
    Der Schiffseigner, wie Cheftu angesichts der ihm entgegengebrachten Ergebenheit vermutete, ging als Letzter von Bord. Er war ein wunderschöner Junge, eigentlich ein Mann, doch er bewegte sich mit der Zuversicht eines noch nicht vom Leben geprüften Knaben. Cheftu fragte sich, ob er selbst jemals so jung, so voller Hoffnung gewesen war. Er war zwar erst zweiunddreißig, doch er fühlte sich, als wäre er tausend Jahre alt.
    Nur zweiunddreißig in drei Zeitaltern, ermahnte er sich selbst; in Frankreich, im Ägypten Hatschepsuts und jetzt im Ägypten Senwosrets.
    Als die Schiffe der Aztlantu anlandeten, saß Cheftu gerade in einer Taverne und verzog das Gesicht über dem miserablen Bier. Das Treiben auf den Kais lockte ihn hinaus. Sie füllten sich mit schweigenden Zuschauern, während die riesigen Schiffe mit den lila Segeln den Anker auswarfen und die Matrosen an Land gingen.
    Verwundert starrte Cheftu das Schiff an. Es war ganz offenkundig nicht in Ägypten gebaut, es ähnelte aber auch nicht den Zeichnungen von griechischen Triremen. Auf jeder Seite saßen zwanzig Ruderer, und von dem hohen Mast wurde nun ein quadratisches lila Segel gerefft. Bug und Schiffsschnabel erho-ben sich beinahe im rechten Winkel hoch über das Wasser. Entlang der Wasserlinie hatte ein Künstler eine rotgold gerippte Welle gezeichnet. An Bug und Heck ragte je ein goldener Dreizack auf. Schilder säumten die Reling, hatten jedoch zum Zeichen des Friedenswillens die Frontseiten nach innen gekehrt. Trotzdem kamen ihm die Schilder vage vertraut vor. Zwei Kreise übereinander, mit Kuhfell überzogen. So groß, dass selbst ein Mann von einem Meter achtzig Deckung dahinter fand.
    Cheftu, der es gewohnt war, in jeder Zeit zu den Größten zu gehören, stellte überrascht fest, dass die Seesoldaten mindestens so groß waren wie er. Fleisch: Sie essen viel Fleisch, dachte Cheftu. Sie waren auch anders gebaut als die Ägypter: mit schlanker Taille und

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