Die Sehnsucht der Konkubine
Freund hatte gerade begonnen, für einen Bäcker zu arbeiten, und sie waren dabei, in ein Gefängnis hier in Moskau etwas zu liefern.«
»Ein Gefängnis?« Der Russe lächelte. »Was für ein Zufall.«
Lydia redete rasch weiter. »Der Bäcker sagte, plötzlich sei einer der Wärter auf Popkow losgegangen, und er habe in Notwehr gehandelt. Ein anderer Posten hat ihn erschossen.«
»Verständlich, wenn er Scherereien gemacht hat.«
Lydia beschloss, diesen Kommentar zu ignorieren. »Dem Bäcker wurde befohlen, auf der Stelle zu gehen, weshalb er auch keine Ahnung hat, ob mein Freund tot oder noch am Leben ist.«
»Ach!« Er neigte den Kopf. »Wie überaus bedauerlich für dich.«
Betretenes Schweigen. Lydia starrte auf ihre Hände. »Der Bäcker sagt, der Wärter habe behauptet, Popkow zu kennen. Offenbar hatten die beiden vor einiger Zeit eine tätliche Auseinandersetzung in Felanka.« Sie sah, wie sich bei der Erwähnung von Felanka Dmitris Pupillen weiteten, obwohl er dabei so unbeteiligt tat wie vorher. »In Felanka«, erklärte sie, »hat Popkow dem Wärter mal das Fell gegerbt, und jetzt wollte er sich offenbar rächen.«
»Ich habe zu viele von denen erlebt, Lydia, diese Leute, die nur mit den Fäusten denken. Die Gefangenenlager sind voll davon. Die leben mit ihren Fäusten, und oft genug sterben sie auch daran.«
»Vielleicht ist Popkow gar nicht tot«, beharrte sie.
»Also«, sagte Malofejew, hob seine Kaffeetasse und betrachtete sie über den vergoldeten Rand hinweg, »möchtest du wissen, in welchem Zustand der Trottel ist und wo er sich befindet.«
»Nein.«
»Was dann?«
»Ich möchte, dass du ihn mir zurückbringst.«
»Tot?«
»Tot oder lebendig.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Dmitri, das hier ist etwas anderes als meine Bitte um den Namen des Gefängnisses. Das war eine geheime Information, die hier nicht. Es war einfach nur ein Missverständnis. Eine blöde Schlägerei, die grundlos vom Zaun gebrochen wurde.« Sie hob die Hände von ihrem Schoß, legte sie auf die polierte Oberfläche des Tisches, und als sie sie auseinanderschob, lag da eine goldene Armbanduhr mit aufwändig verarbeitetem Gehäuse und kunstvoll graviertem Zifferblatt. Es war die Uhr, die sie dem Mann mit der Zigarre gestohlen hatte. Sie schaute Dmitri an und atmete tief aus. »Ich bin mir sicher, das ist etwas, das du mit ein paar Telefonanrufen herausfinden könntest.«
Seine Augen ruhten auf der Uhr. »Nun, Lydia, du überraschst mich. Nur so viel ist dir deine Freundschaft wert?«
Lydia war sich nicht sicher, was er meinte, und das ärgerte sie. Freundschaft zu ihm oder zu dem Kosaken? Doch etwas an der Art, wie er dabei die Uhr anschaute, ließ ihr das Blut in den Adern stocken. Es war nicht genug. Schon jetzt wusste sie, dass es nicht reichen würde.
»Was willst du stattdessen?«, fragte sie.
Er stellte seine Tasse ab und beugte sich vor, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Augen aufmerksam auf sie gerichtet. Auf einmal war ihr bewusst, wie unerträglich heiß es in dem Zimmer war. »Ich hab es dir doch schon einmal gesagt, Lydia. Ich möchte, dass du mich genauso anschaust, wie du an dem Abend im Metropol deinen Chinesen angeschaut hast.«
»Das wird nie geschehen.«
»Sag niemals nie, meine Liebe. Das wäre doch durchaus möglich.«
Unvermittelt stand er auf, warf seine Serviette auf den Teller und ging um den Tisch herum, bis er direkt hinter ihr stand. Das Rascheln seiner Pantoffeln auf dem gebohnerten Parkettboden brachte ihre Haut zum Prickeln, als hätte sie Brennnesseln gestreift. Er berührte ihr Haar, doch sie zuckte nicht zusammen. Ganz genüsslich wühlten sich seine Finger in ihre dichte Mähne, als wäre es ihr gutes Recht.
»Du bist sehr hübsch, Lydia, und sehr jung.«
»Ich bin alt genug.«
Er beugte sich so weit zu ihr hinab, dass seine Lippen ihr Ohr streiften. »Alt genug, um zu wissen, was du willst?«
Sie nickte.
Er küsste sie aufs Ohrläppchen. Sie rührte sich nicht. Atmete nur den sauberen Geruch von ihm ein und spürte, wie sich sein Haar und ihres vermischten.
»Und ist das hier nun das, was du dir wünschst?« Er hob eine Partie ihres Haares hoch, wickelte ein paar Strähnen um ihre Finger, so dass sie mit ihm verbunden war, und küsste sie auf die blasse Haut ihres Halses.
Sie nickte. Das war das Mindeste, was sie Popkow schuldig war.
»Dann kann ich dir wohl helfen«, murmelte er und ließ seine Hand ihren Hals hinabgleiten. »So zart und süß wie du
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