Die Sehnsucht der Konkubine
bist.« Seine Finger begannen sie zu erkunden, den zerbrechlichen Ansatz ihres Schlüsselbeins zu liebkosen und ganz langsam in die Öffnung ihrer Bluse hinabzugleiten, bis sie den zarten Ansatz ihrer Brust gefunden hatten. Sein Atem streifte heiß und feucht ihre Wange.
»Deine Frau, Antonina?«, fragte sie. »Ist sie hier? In der Wohnung?«
Seine Finger erstarrten. »Sie ist noch im Bett.«
»Trotzdem. Nicht sehr günstig, oder?«
»Ich habe dich nicht für eine Idealistin gehalten, Lydia. Eher für eine Realistin.« Er küsste sie auf den Scheitel, und seine andere Hand umfasste ihr Handgelenk, drückte sie in den Stuhl hinab.
»Dmitri«, sagte sie mit fester Stimme. »Lass mich gehen.« Sie hörte, wie er den Atem ausstieß. »Aber ich habe dir mein Wort gegeben. Ort und Zeit kannst du dir aussuchen – sobald Liew Popkow wieder sicher zuhause ist.«
»Tot oder lebendig?«
»Tot oder lebendig.«
Zögerlich nahm er seinen Arm weg. Sie stand auf. Endlich konnte sie wieder atmen. »Danke, Dmitri.«
»Ach, verdammt, Lydia, wirst du mir jemals das Leben leicht machen?« Er atmete immer noch schwer.
»Das bezweifle ich.« Sie zwang sich zu einer Art Lächeln.
»Aber ich habe dein Wort.«
»Ja, du hast mein Wort. Finde einfach Liew Popkow für mich.« Einen Moment lang trat sie näher, bis ihr Gesicht dem seinen ganz nah war. »Finde ihn«, sagte sie barsch und sah, wie er überrascht zusammenzuckte.
Sie ging zur Tür und öffnete sie schwungvoll. Vor ihr stand Antonina. Sie trug ein austernfarbenes Negligé und streckte die spitz zugefeilten, lackierten Nägel aus wie Krallen. Wie lange sie dort gestanden hatte, war unmöglich zu sagen.
»Lydia, meine Freundin, ich hatte ja keine Ahnung, dass du hier bist«, sagte sie strahlend. »Dmitri, du hättest mir Bescheid sagen sollen, dann hätte ich euch Gesellschaft geleistet.«
Ihr Lächeln war so brüchig wie der Stiel eines Weinglases. Lydia wusste, es würde zersplittern, wenn sie es berührte.
»Ein andermal, Antonina«, sagte sie rasch und verließ die überheizte Wohnung.
Chang fand sie. Wie, das wusste sie nicht. Alles, worauf es ankam, war, dass er hier war und dass sie sein Herz schlagen hören konnte, so schnell, als wäre er gerannt. Er führte sie durch ein Straßenlabyrinth, bis sie zu einem besonders schäbigen Straßenzug kamen, in dem zwei Fremde nicht weiter auffallen würden – niemand hier wollte Scherereien, weil alle schon genug davon hatten. Als Chang ganz sachte ihr Kinn hob und sie küsste, war ihr fast übel vor Scham. Wieso sie zu dieser frühen Morgenstunde durch die Straßen lief, wollte er gar nicht wissen, und sie fragte sich, ob er Dmitris Geruch an ihr wahrnahm.
»Lydia, Kuan hat mir deine Nachricht übermittelt.«
Sie schmiegte ihr Gesicht in den Kragen seines Mantels.
»Hier ist ein Schlüssel für ein neues Zimmer.« Er drückte ihr ein kleines Metallobjekt und einen Zettel mit einer Adresse in die Hand. »Sag mir, was dich so aufgewühlt hat.«
Sie schüttelte stumm den Kopf. Er wartete, bis sie in der Lage war zu sprechen.
»Es geht um Popkow. Auf ihn ist geschossen worden«, flüsterte sie. »Es könnte sein, dass er tot ist, und das alles nur meinetwegen.« Ihre Lippen fühlten sich ganz taub an. »Ich weiß nicht, ob er noch am Leben ist.«
Seine Hand strich zärtlich über die krumme Linie ihres Rückgrats, und die Erinnerung an die Finger eines anderen Mannes, die eben erst auf ihr geruht hatten, raubte ihr einen Moment lang den Atem. Sie begann heftig zu zittern, und als Chang einen Schritt zurücktrat, um ihr ins Gesicht zu schauen, wusste sie, er spürte, dass noch mehr dahintersteckte.
Wieder beugte er sich nach vorne und küsste sie auf beide Augenlider.
»Mach die Augen zu, Lydia. Ruh sie aus. Du kannst nichts tun, um deinem Freund, dem Kosaken, zu helfen.«
Ihre Stirn sank wieder auf sein Revers. Ihre Arme und Beine zitterten wie Espenlaub, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Ebenso wenig wie sie etwas dagegen tun konnte, dass sie sich hasste.
Mein liebster Papa,
mit meinem Vater reden zu können, ist wunderbar. Ich hätte nie gedacht, ich würde noch einmal Deine Stimme hören – auch wenn es nur auf Papier ist. Als Kind habe ich so oft mit Dir geredet und Dir so viele Dinge gesagt, doch damals flüsterte ich nur in die leere Dunkelheit hinein. Wie konnte es anders sein? Ich glaubte, Du seist tot. Doch jetzt werde ich gierig. Ich will mehr von Dir, Papa. Ich möchte Dich kennen lernen, und
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