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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Er machte einen Schritt zur Seite, drehte sich auf dem Absatz um und schlug mit der Handkante so fest gegen Babitskis Kehle, dass diesem die Knie einknickten wie Strohhalme. Er rang nach Luft, als er zu Boden krachte. Die anderen Wärter preschten nach vorne, umzingelten den Kosaken, der sich Babitskis Gewehr vom Boden geschnappt und damit begonnen hatte, um sich zu schlagen, wobei er mehreren Angreifern die Ellbogen brach oder das Kinn einschlug.
    Jens klammerte sich an den Zaun. Jeder wusste, was kommen würde.
    Ein Schuss peitschte durch den Gefängnishof. Das Geräusch war ohrenbetäubend, weil es von den Mauern widerhallte. Alle Gefangenen stöhnten auf, drückten die Gesichter gegen den Zaun. Ihre tägliche Hofrunde war vergessen. Popkow ging zu Boden, im letzten Moment noch streckte er die Hand suchend unter den Steinsitz. Blut floss auf die Pflastersteine.

ACHTUNDVIERZIG

    L ydia schlug mit der Faust so fest an die Tür, dass sie in den Angeln zitterte und im Rahmen klapperte. Dennoch machte niemand auf. Sie schlug noch fester, wieder und wieder, bis die Haut an ihren Fingerknöcheln aufgeschürft war. Irgendwann schließlich hörte man, wie ein Schlüssel im Schloss gedreht und die Tür geöffnet wurde.
    »Was, zum Teufel …« Eine Pause. »Na, wenn das nicht die kleine Lydia ist. Was machst du denn zu dieser unziemlich frühen Stunde hier?«
    »Ich brauche deine Hilfe, Dmitri.«
    Der Sowjetoffizier lächelte. Es war ein ruhiges, gelassenes Lächeln, das von irgendwo tief aus seinem Innersten an die Oberfläche zu steigen schien, als hätte er schon lange auf diesen Moment gewartet und wäre sich nur nicht sicher gewesen, wann genau er eintreten würde. Er machte einen Schritt zurück in seinen Flur, öffnete die Tür weit und winkte Lydia herein.
    »Was wäre denn gegen die Klingel einzuwenden gewesen?«, fragte er nachsichtig.
    »Die war zu … einfach.«
    »Zu einfach? Wo hast du denn diese verrückte Idee her?«
    »Ich musste einfach auf etwas schlagen.«
    Sie saßen sich im Esszimmer an einem langen Eichentisch gegenüber. Es war ein schönes Möbelstück, schien jedoch mit seinen kunstvoll geschnitzten Beinen nicht ganz zu der ansonsten eher modernen Einrichtung zu passen. Lydia kam der Gedanke, der Tisch könnte, wie Antoninas Armband, durch jemanden, der Hilfe brauchte, in Dmitris Besitz gelangt sein. Jemanden wie sie selbst.
    »Also«, sagte er mit einem unverbindlichen Lächeln. »Was ist es denn, das unsere junge Lydia an diesem Morgen so aufgewühlt hat?«
    »Ich bin nicht aufgewühlt.« Sie hob ihre Kaffeetasse und nippte daran, um zu zeigen, wie ruhig sie war, doch dann konnte sie kaum schlucken, weil sie all den Schmerz in sich nicht unterdrücken konnte.
    Seine grauen Augen legten sich vor Amüsement in viele kleine Fältchen, und ihr war schlagartig klar, dass sie ihn nicht an der Nase herumführen konnte. Er hatte sie an diesen Tisch gesetzt, hatte darauf bestanden, dass sie mit ihm frühstückte, er hatte ihr Kaffee eingeschenkt und ihr warme Croissants aus einer französischen Bäckerei, Dosenpfirsiche und hauchdünne Scheiben geräuchertes Schweinefleisch angeboten. Sie hatte sich nur an den Kaffee gehalten, weil sie das Gefühl hatte, ersticken zu müssen, wenn sie versucht hätte, etwas zu essen. Dmitri trug bestickte Pantoffeln und einen japanischen Seidenmorgenmantel, in den er vorne eine weiße Leinenserviette gesteckt hatte. Mit der Präzision eines Chirurgen sezierte er gerade einen Pfirsich.
    Lydia holte tief Luft und ließ die Worte heraus, die zu sagen sie gekommen war. »Dmitri, heute ist ein Freund von mir erschossen worden.«
    Er hob eine Augenbraue. »Der Chinese?«
    »Nein.« Das Wort sprang aus ihrem Mund. »Nein, es war ein befreundeter Kosak namens Liew Popkow.«
    »Ein Kosak? Dann hat er es wahrscheinlich verdient, erschossen zu werden.«
    Ihre Stimme war ganz leise, als sie sagte: »Dmitri, ich ramme dir dieses Messer in den Hals, wenn du noch mal so etwas über Liew Popkow sagst.«
    Er steckte sich genüsslich eine Scheibe Obst in den Mund, tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und lehnte sich mit ernster Miene auf seinem Stuhl zurück. »Sag mir, was passiert ist.«
    »Ich war nicht dabei.«
    Ich war nicht dabei. Ich war nicht dabei. Tschort! Ich war nicht da, um ihm zu helfen, als er mich gebraucht hat. Ihre Schuldgefühle hätten sie schier übermannt.
    »Dann hat dir also jemand erzählt, was passiert ist.«
    »Ja.« Sie beugte sich über den Tisch. »Mein

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