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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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fühlte sich ausgeruht und stark, gestattete ihren Lungen, in einem ruhigen, steten Rhythmus ein- und auszuatmen, tat dabei aber so, als würde sie noch schlafen, weil sie noch nicht bereit für das war, was vor ihr lag. Durch den Verlust ihres Vaters hatte sich in ihrem inneren Gefüge etwas verändert, und sie trauerte um ihn, ebenso wie um den Traum, der zu Ende gegangen war. Erschocken wurde ihr bewusst, dass ihre Wangen nass waren. Hatte sie im Schlaf geweint? Lange Zeit lag sie so da, an Chang gekuschelt. Eine Stunde, vielleicht auch mehr. Nicht gewillt, ihn aufzugeben. Sie klammerte sich an jede einzelne Sekunde dieser Zeit, prägte sich das Gefühl seiner Hand an ihrer Hüfte ein und das sanfte Pusten seines Atems an ihrem Hals, die Art und Weise, wie er ihre Haut zu einem wohligen Prickeln brachte.
    »Wann fährst du?«, fragte sie schließlich in die Dunkelheit.
    Er gab ihr keine Antwort, doch seine Umarmung wurde fester.
    »Wann?«, fragte sie noch einmal.
    Er setzte sich auf und zündete die Kerze an, die auf dem Tisch neben dem Bett stand. Flackernde Schatten tanzten im Raum auf und ab, schwarz und verzerrt, und sie waren so hässlich wie ihre Ängste. Chang starrte konzentriert zur Wand. Lydia sah er nicht an.
    »Du kannst nicht hierbleiben«, sagte er. »Jetzt, da sie nach dir suchen, musst du weg von hier.«
    »Ich weiß. Obwohl ich vermutlich«, sagte sie mit einem Lächeln, an sein Profil gerichtet, »mit meinen kurzen Haaren eine Straßenratte wie Edik werden und für die wory arbeiten könnte. Ich bin gut im Stehlen.«
    Sie spürte, wie ein Beben durch seine Brust ging. Er berührte ihr kurz geschorenes Haar. »Es sieht sowieso schon so aus, als wären die Ratten dran gewesen.«
    Sie lachte und sah, dass er sich über dieses Lachen freute.
    »Tut es sehr weh? Brauchst du noch mehr …«
    »Pssst.« Sie legte einen Finger an seine Lippen. »Es ist nicht so schlimm.«
    Statt einer Antwort hob er eine Augenbraue. »Mehr Kräuter?«
    »Nein. Ich brauche einen klaren Kopf. Ich möchte, dass wir reden.«
    Ganz sanft zog er sie an sich, bettete sie an seine nackte Brust, und eine Weile hielten sie beide den Moment in der Schwebe, weil sie wussten, dass die nächsten Minuten alles verändern würden.
    »Hier kannst du nicht bleiben«, sagte Chang zum wiederholten Mal.
    »Dann lass uns darüber reden, was wir als Nächstes tun. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht, und daran arbeite ich – an einer Zukunft für uns beide.«
    Ihm entfuhr ein leises Schnauben. »Und doch hast du alles für deinen Vater aufs Spiel gesetzt.«
    Sie sagte nichts, strich ihm nur sanft übers Kinn.
    »Frag mich«, sagte er.
    »Was soll ich dich fragen?« Doch sie wusste, was er meinte.
    »Frag mich.« Er hob ihr Kinn an, damit sie ihm direkt in die Augen sah. »Frag mich noch mal.«
    »Nein.«
    »Gut. Dann frag ich selbst. Will ich mit dir nach Amerika gehen?«
    Sie hielt die Luft an.
    »Lydia, mein Allerliebstes, die Antwort lautet Nein.«
    Sie schrie weder auf noch versuchte sie, ihn dazu zu bringen, das Gesagte zurückzunehmen, obwohl sie beides gern getan hätte. Schweigend musterte sie sein Gesicht, bevor sie fragte: »Was hat er zu dir gesagt?«
    »Wer?«
    »Alexej natürlich. Du und er, ihr standet doch im Hof zusammen, und ich kann mir vorstellen, was er …«
    Sie hielt inne, weil sie seine Anspannung spürte und hörte, wie er rasch den Atem einzog. Er war bereits halb aus dem Bett, das blitzschnell gezogene Messer in der Hand, als die Tür eingetreten wurde und gegen die Wand donnerte. Fünf Männer standen in dem kleinen Zimmer. Es waren Chinesen, und sie hatten Gewehre in der Hand.
    »Raus hier«, schrie Lydia sie an. Sie warf sich rasch eine Decke über ihren nackten Körper.
    Der Chinese ganz vorne war ein junger Mann mit einem länglichen Gesicht, und er trug eine wattierte Uniformjacke. Die anderen sahen in Lydias Augen wie professionelle Killer aus, alle in Schwarz gekleidet, mit harten Augen. Lydia sprang vom Bett auf, doch Chang trat zwischen sie und die Eindringlinge, und eine Schrecksekunde lang hatte sie Angst, er würde auf die Männer losgehen.
    »Nein!«, schrie sie.
    Doch er bewegte sich nicht. Er blieb stocksteif stehen. Stattdessen floss eine Flut chinesischer Wörter aus seinem Mund, und der junge Mann in Blau antwortete ihm heftig und offenbar negativ. Als er an einem bestimmten Punkt auf Lydia zeigte, begann ihr Herz heftig zu pochen, aber als er fertig gesprochen hatte, wurde Chang sehr

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