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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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still.
    Ohne sich umzudrehen, sagte er in gemessenem Englisch zu ihr: »Dieser Mann hier ist Biao. Er ist … er war mein Freund, ein Mitglied der Delegation.«
    Sie zitterte am ganzen Körper.
    Changs Augen waren nach wie vor auf Biao gerichtet. »Er ist der Mensch, dem ich vertraut habe, der für uns dieses Zimmer hier gesucht hat, der einzige Mensch auch, der wusste, wo es ist.«
    »Und warum ist er hier?«
    Sie wünschte sich, er hätte sich umgedreht. Wünschte, er hätte sie angeschaut.
    »Biao ist mit seinen Gefährten gekommen, um dafür zu sorgen, dass ich auf der Stelle ins Hotel Triumfal zurückkehre.«
    »Wieso? Was ist passiert?«
    Endlich drehte er sich zu ihr um, und der Blick in seinen schwarzen Augen schien alles Dunkel des Raumes in sich aufzusaugen. »Biao hat gesagt, ich soll dich fragen.«
    Sie warteten vor der Tür. Das war Changs Bedingung gewesen, damit er in Ruhe mit Lydia reden konnte. Er war durchaus versucht, Biao für seinen Verrat die nutzlose Kehle durchzuschneiden, ganz gleich, was das für Konsequenzen für ihn selbst gehabt hätte, doch er war nicht gewillt, auch Lydias Leben aufs Spiel zu setzen. Sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, packte er sie an den Armen und ließ es nicht zu, dass sie den Blick abwandte.
    »Sag mir«, meinte er mit einem forschenden Blick in ihre Augen, »sag mir, was du getan hast.«
    Ihr abgeschnittenes Haar stand in alle Richtungen vom Kopf, und ihr bleiches Gesicht sah furchtbar aus. Doch noch viel schlimmer war die Angst in ihren Augen. Wovor fürchtete sie sich? Er lockerte den Griff um ihre dünnen Arme und sah, dass sich seine Fingerabdrücke auf ihrer weißen Haut abzeichneten.
    »Sag es mir«, fügte er etwas sanfter hinzu.
    Als die Worte kamen, sprudelten sie nur so aus ihr heraus. »Die Delegation verlässt heute Russland, und du hast es mir nicht mal gesagt. Dann geh halt mit ihnen. Geh heim in dein China, zu deinem Kommunismus. Selbst wenn du deinen Anführer verachtest.« Zorn flammte in ihren Augen auf.
    »Lydia«, sagte Chang scharf. »Woher weißt du, dass die Delegation heute abreist?«
    Sie hatte schwer geatmet, doch jetzt wurde sie ganz still. Er sah, wie sie sich mit ihren Fuchszähnen auf die Unterlippe biss. Wie war es bloß möglich, jemanden so sehr zu lieben und dennoch nicht die Geheimnisse zu kennen, die er unter seiner Zunge versteckte? Die Brandblasen auf ihrer Stirn schimmerten golden in dem schummrigen Licht der Kerze, und sein Herz flog ihr entgegen. Er schloss die Arme um ihren bebenden Körper und drückte sie an seine Brust. Als er sie auf das rauchig schmeckende Haar küsste, spürte er, wie sie sich an ihn schmiegte, und auf einmal war seine ganze Wut, waren die Fragen verschwunden. Nur die Stille, die zwischen ihnen herrschte, war geblieben.
    Bei einem lauten Klopfen an der Tür fuhr Lydia zusammen.
    »Rasch, meine Geliebte«, flüsterte er. »Sag es mir.«
    Einen kurzen Moment lang legte sie ihr Gesicht in seine Halskuhle, dann machte sie sich los und ging zum Fenster hinüber. Sie zog ihre Bluse an, blieb jedoch dort stehen, als wäre das, was hinter ihr lag, zu schmerzlich, um sich ihm zu stellen.
    »Woher hast du gewusst«, fragte er, »dass die Delegation heute abreist?«
    »Li Min hat es mir gesagt.«
    »Li Min? Unser Delegationsleiter? Woher kennst du ihn?«
    Sie schöpfte tief Luft, als wäre sie am Ertrinken. »Hör mir zu, was ich dir zu sagen habe, Chang An Lo, und dann kannst du gehen. Letztes Jahr in China, als ich gerade nach Russland aufbrechen wollte, um nach meinem Vater zu suchen, ist eine Gruppe von Leuten zu mir gekommen.«
    »Meine Leute?«
    »Ja, deine chinesischen Kommunisten. Sie hatten gehört, dass ich nach Sibirien wollte. Vielleicht hatte man sie am Zugfahrkartenschalter davon informiert, aber ich weiß es nicht genau. Jedenfalls kamen sie. Sie wussten von Kuan, die es wiederum von dir erfahren hatte, dass Jens Friis mein Vater war, und sie sagte mir, er sei an einem geheimen Projekt beteiligt, mit dem er dem sowjetischen Militär helfe. Offensichtlich hatten sie ihre Spione im Herzen des sowjetischen Systems, sogar in der Roten Armee, wussten jedoch nicht, worum es sich genau handelte oder wo er festgehalten wurde – in einem Gefängnis oder in einem dieser gottverlassenen Arbeitslager. Sie wussten nicht einmal, ob er noch lebte. Chang, du musst verstehen, er war mein Vater, und ich …« Sie unterbrach sich, holte tief Luft und beendete ganz ruhig ihren Satz. »Und so baten

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