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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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als hätte das Bedauern über den Verlust des Geldes seine Gehirntätigkeit außer Kraft gesetzt.
    Alexej trank den Wodka. Was, zum Teufel, sollte er noch tun? Am liebsten hätte er sein Glas auf dem Tisch zertrümmert. Er saß ganz still da, steif und abweisend. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken.
    »Kolja, wohin geht deine nächste Tour?«
    »Nowgorod.«
    »Wann?«
    »Übermorgen.«
    »Dann sehe ich dich dort. An der Lastwagenstelle. Sei früh da.« Alexej warf eine Hand voll Münzen auf den Tisch. »Spendier deinen Kumpels was zu trinken von mir.«
    Er rappelte sich hoch, und als er draußen in der Dunkelheit stand, murmelte er erneut den Namen seines Erzfeindes: »Michail Wuschnew.«
    Er sagte den Namen nur ein Mal und spuckte auf die Straße, um ihn endgültig loszuwerden. Dann ging er los, zuerst langsam, mitten durch das Schneetreiben, während die Flocken auf seine Haut fielen, und schließlich immer schneller. Während seine Füße über den vereisten Boden schlidderten, begannen sich die Gedanken in seinem Kopf langsam zu lichten. Vierundzwanzig Stunden. Vierundzwanzig kostbare Stunden, um ihren Duft auf seiner Haut zu riechen, den federleichten Druck ihres Körpers auf dem seinen zu spüren und den nachdenklichen Blick aus braunen Augen zu sehen, der etwas an den dunklen, kalten Stellen seines Inneren zum Klingen brachte. Die Lichter des Leninsky Hotels über ihm leuchteten hell.

EINUNDZWANZIG

    E s war der Spiegel, der Lydia zu Chang zurückbrachte. Er saß in einer schwarzen Limousine, in der es nach neuem Leder roch. Ihre Chromverkleidungen blitzten und funkelten. Ganz allein auf dem Rücksitz, mit nur der Mütze des Fahrers, eines jungen Soldaten, der zu schweigen wusste, vor ihm, schaute Chang ohne wirkliches Interesse in den Rückspiegel empor. Doch auf einmal stockte ihm der Atem.
    Ein anderes Auto. Ein anderer Fahrer. Eine andere Stadt. Ein anderes spiegelndes Rechteck. Trotzdem war es so, als würde sie hier neben ihm sitzen. So stark war ihre Präsenz. Er drehte den Kopf, rechnete fast damit, Lydias strahlendes Lächeln zu erblicken, und sah stattdessen nur das Chaos auf den Straßen von Kanton, regendurchnässte Rikschafahrer, die vor den Stoßstangen der rücksichtslosen Automobile und Lastwagen ausweichen mussten, welche die Durchgangsstraßen verstopften. Er hob eine Hand, hielt sie neben sich über den leeren Sitz, durchkämmte die Luft mit den Fingern, tastete nach ihr. Und lauschte aufmerksam auf ihren Atem.
    Ganz langsam ließ er die Hand sinken, bis die Handfläche auf dem Ledersitz lag. Das Leder war braun, und kurz schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass man darauf das Blut von seinen Händen nicht sehen würde. Er blinzelte, verwirrt. Woher kam das jetzt? Seine Hände, von denen man zwei Finger amputiert hatte, waren doch schon lange verheilt.
    Kam das von ihr? Von Lydia? Brauchte sie seine Hände? Der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu.
    Jeden Morgen und jeden Abend betete er darum, dass es ihr gut ging. Er bot den Göttern ein Geschäft an – seine Sicherheit gegen die ihre –, er machte ihnen Versprechungen, die ausgefallen und kostspielig waren, denn jedes Mal gelobte er bei seiner Ehre, alles zu tun, wenn nur Lydia unversehrt, unverletzt an Körper und Seele, zu ihm zurückkehrte. Er schwor den Schreinen ewige Frömmigkeit, zündete Kerzen in den Tempeln an, ebenso wie er Weihrauch und die Papierbilder von Furcht erregenden Drachen verbrannte. Er hatte einen Ochsen schlachten lassen. Um ihr Kraft zu geben. Um ihrer Sicherheit willen hätte er sie sogar aufgegeben, sein Fuchsmädchen, und bis in alle Ewigkeit um sie geweint.
    Heute jedoch war es so, als wäre sie plötzlich hier. Mit ihm, hier auf dem braunen Lederpolster. Und einen flüchtigen Moment lang flog sein Herz zurück zu jenem anderen Tag, als sie neben ihm in einem Auto gesessen und er in den Rückspiegel geschaut hatte, um die Augen des Fahrers genauer zu betrachten. Um zu sehen, ob er in eine Falle gegangen war.
    Sie hatte ihre Hände um seine gelegt, hatte seine Verbände darin geborgen wie eine Mutter, die ein Kind behutsam an sich drückt, und trotz des hohen Fiebers, von dem seine Augen trübe wie das Wasser eines Teiches waren und sein Gehirn raste wie das eines tollwütigen Hundes, wusste er, dass er für immer an diesen Moment denken würde. Eine kurze Minute lang hatte sie die Wange an seine Schulter gelegt, und ihre rote Mähne hatte sich über seiner Hemdenbrust ausgebreitet wie Flammen. Allein

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