Die Sehnsucht der Konkubine
zukommen.
Alexej hatte ihn in einem offenen, betonierten Hof am Rande der Straße zur Gießerei aufgespürt. Hier versammelten sich die Lastwagenfahrer, um Waren abzuliefern oder neue Ladung aufzunehmen, und manchmal gab es so lange Schlangen, dass man sogar einen Stand mit kwass, Brotbier, und einen anderen mit tschai und blinis aufgestellt hatte.
»Komm, ich lad dich auf was zu trinken ein«, bot Alexej an und wies in Richtung der Stände.
Kolja grinste. »Wodka wäre mir lieber.«
»Mir auch.« Alexej zog eine Flasche aus seiner Tasche. Er nahm selbst einen Schluck und reichte die Flasche dann Kolja, der es ihm nachtat.
Es war ein trüber Tag, die Kälte war nicht mehr ganz so klirrend wie noch vor einem Monat, und rund um den Hof lagen schmutzige Schneehaufen. Einen Moment lang hielt Alexej die Luft an und dachte noch einmal kurz über das Risiko nach, das er einging. Er musste diesen Mann erst einmal einschätzen. Es bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass die Geheimpolizei OGPU ihre Informanten überall und in jeder Ecke von Felanka sitzen hatte. Als irgendwo unten am Fluss ein wunderschöner Kranich seine Flügel mit den schwarzen Spitzen ausbreitete und mühelos über dem Hof zu kreisen begann, lachte Alexej laut auf. Er wandte sich an Kolja und schlug ihm auf die Schulter.
»Also, Genosse, Lust auf ein bisschen Abwechslung?«
»Ja. Diese Stadt ist wie ein Leichenschauhaus.« Der junge Fahrer bleckte die Zähne.
»Dann treffen wir uns doch heute Abend. Ich will mit dir etwas Geschäftliches besprechen.«
Alexej stieß die Tür auf. Die Kneipe war voll. Zigarettenrauch hing wie eine dicke Wolke unterhalb der Decke, wo er sich mit den Dämpfen aus dem Ofen vermischte. Wenigstens war es warm hier, immerhin etwas. Alexej stampfte mit den Füßen auf, um das Eis abzuschütteln, während draußen in der Dunkelheit neuer Schnee in wirbelnden Flocken fiel.
Er bahnte sich einen Weg durch die Zecher und erreichte schließlich den Tresen, wo er Wodka und Bier für zwei bestellte. Die hübsche Usbekin mit der bestickten Bluse und dem Hüftschwung gab ihm seine Getränke und rollte verführerisch mit den Augen, doch er schüttelte den Kopf. Er nahm seine vollen Gläser und machte sich auf den Weg zu dem Tisch, an dem Kolja bereits Platz genommen hatte.
»Dobry wetscher« , begrüßte er den Lastwagenfahrer.
Er stellte den Wodka und das Bier auf die fleckige Tischoberfläche und wurde mit einem Grinsen von blitzenden, starken Zähnen und dem Angebot einer Zigarette belohnt. Er lehnte ab, denn obwohl er ein Bad genommen und sich rasiert hatte, roch er immer noch Antoninas Duft auf seiner Haut und wollte, dass er dort haften blieb und nicht mit Tabakrauch überdeckt wurde. Sie zurückzulassen war ihm schwergefallen, denn der Gedanke, nicht zu wissen, wann er sie wiedersehen würde, brachte ihn vollkommen durcheinander.
» Dobry wetscher , Genosse. Spassibo .« Kolja nahm die Gläser entgegen und stürzte seinen Wodka genüsslich hinunter. Das Bierglas nahm er liebevoll zwischen die Hände. »Jetzt sag mir, wer ist der Scheißkerl, der dir dein Geld geklaut hat?«
Alexej beugte sich nach vorn. »Wir haben eine Vereinbarung, wir beiden.«
» Da . Ich kriege die Hälfte von allem, was du zurückbekommst.«
»Solange du das im Gedächtnis behältst.«
»Mach dir keine Gedanken, Genosse. Ich bin kein Dieb. Und meine Freunde auch nicht.« Kolja nickte bedeutungsvoll zu einer Gruppe von Lastwagenfahrern in schwerer Kleidung. Schaute man ihnen in die Augen, dann sah man ihn bei jedem von ihnen: den Blick eines Einzelgängers. Alexej wusste, dass es besser war, sich nicht mit ihnen anzulegen. Hoffentlich wusste Wuschnew das auch.
»Also?« Kolja nahm einen Schluck Bier. »Wie heißt er?«
»Es ist Michail Wuschnew, der im Lager …«
»Ich kenne ihn. Dünn wie eine Bohnenstange, Pfeifenraucher.«
»Das ist er, der Scheißkerl.«
Kolja ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken und trank sein Bier halb aus. »Der Scheißkerl hat die Flatter gemacht.«
»Was, er ist weg?«
»Vor ein paar Wochen kam er hier reingetorkelt und hat eine Lokalrunde ausgegeben. Sagte, er fahre nach Odessa, um mit seinem Geld ein neues Leben anzufangen, deshalb …«
»Mit meinem Geld«, korrigierte Alexej. »Und Odessa ist es bestimmt nicht. Der wird schlau genug sein, seine Spuren zu verwischen.«
»Der Scheißkerl.«
»Also offenbar kein Erfolg für uns beide, Genosse.«
»Der Scheißkerl«, wiederholte Kolja etwas dumpf,
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