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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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kurze
Auflachen, erneut ein verständigender Blick. »Ich glaube ja nicht daran, aber
…«
    »Aber man hört so
einiges«, fiel der Jüngere der beiden ein. »Keine schönen Geschichten.«
    »Ein Kloster ist doch
ein Ort des Glaubens und der Einkehr«, hakte Bernina ein. »Und kein Spukhaus.«
    Erneut das unbehagliche
Lachen. »Sie möchten ja dahin. Überzeugen Sie sich doch einfach persönlich. Und
wenn wir uns einmal wieder treffen, erzählen Sie uns, was Sie auf Kloster
Murnau erlebt haben.«
    »Sind wir denn auf dem
richtigen Weg?«
    »Ja, ja. Halten Sie sich
einfach weiter nördlich. Sie sind nicht zu weit nach Westen gekommen. Morgen
können Sie’s schon geschafft haben.«
    Sofort nach dieser
Bemerkung verabschiedeten sich die beiden, als wenn sie es auf einmal besonders
eilig hätten.
    »Unser Ziel hat sie ja
ziemlich erschreckt«, sagte Baldus.
    Bernina nickte bloß.
    Als kurz darauf Nils
Norby zurückkam, berichtete sie ihm von der Begegnung, aber seine einzige
Erwiderung war ein knappes Schulterzucken. Gegen Abend schlugen sie an einem
Flusslauf ihr Lager auf. Kleine zerbrechliche Eisschollen trieben auf dem
Wasser, von dem sie etwas in einem Kessel über dem Feuer erhitzten. Schon als
sich Bernina und der Knecht später unter die Plane zurückzogen, setzte
Schneefall ein, der immer dichter wurde. Keine wirren Träume diesmal. Hellwach
lag Bernina da, während Baldus am anderen Ende des Wagens schnarchte. Die Zeit
kroch. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und verschwand nach draußen.
Norby stand am Feuer. Es drohte wieder einmal auszugehen, da der Schnee sich auch
zwischen den Ästen eines Baumes hindurchkämpfte, an dessen Wurzel sie es
entfacht hatten.
    »Ich hätte es nicht für
möglich gehalten.« Berninas Stimme schnitt in die klirrende Luft.
    Der Schwede starrte sie
verdutzt an. »Was um Himmelswillen …«
    »Dass ein einzelner Mann
einen größeren Dickschädel haben kann als sogar der Winter.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Norby, kommst du jetzt
endlich in den Wagen?«
    Obwohl er völlig
durchgefroren war, brachte er ein Lächeln zustande. »Das ist das erste Mal,
dass du mich mit meinem Namen ansprichst. Wenn du nicht aufpasst, nennst du
mich eines Tages noch Nils.«
    »Dazu
werde ich kaum Gelegenheit haben: Du wirst längst erfroren sein.« Bernina
stemmte die Fäuste in die Hüften. »Und jetzt rein mit dir!«
    Er
lächelte immer noch. Doch er gab nach und folgte ihr. Baldus’ Schnarchen
erstarb, um gleich wieder einzusetzen. Bernina deckte sich sorgfältig zu und
hörte dabei, wie der Schwede versuchte, es sich kaum drei oder vier Handbreit
von ihr entfernt halbwegs bequem zu machen. Es entstand eine Stille, in der
eine merkwürdige Spannung schwebte. Weiterhin hellwach lag Bernina da. Sie
wusste, dass er ebenfalls nicht schlief. Die Stille kam ihr unnatürlich vor.
Auf einmal das Rascheln von schweren Stoffen. In der Dunkelheit war es unmöglich,
ihn zu sehen, nicht einmal seine Umrisse, doch Bernina spürte die Nähe dieses
Mannes ganz deutlich. Als die Stimme ganz leise ertönte, fühlte sie den Hauch
seines Atems auf ihrer Wange: »Die ganze Zeit stand dein Mann zwischen dir und
mir. Er war wie eine Mauer, die ich nicht zu überwinden vermochte. Es ist so,
wie ich es schon einmal sagte: Jetzt, da er nicht mehr lebt, steht er erst
recht zwischen uns. Ich komme einfach nicht an ihm vorbei.«
    Steif
lag sie da. »Was damals in Spanien geschah«, hörte sie sich flüstern, »bei
diesem Teich, das war …« Ihre Stimme versiegte. Sie konnte ihm nicht sagen, was
sie empfand. Weil sie es selbst nicht wusste. Und das wurde ihr erst in diesem
seltsamen Moment so richtig klar.
    »Du brauchst mir nichts
zu erklären. Überhaupt nichts.« Norby rückte noch ein Stück näher an sie heran.
»Wenn es stimmt, was die beiden Männer sagten, sind wir morgen beim Kloster.
Denken wir lieber daran.«
    »Ja. Auch wenn es mir
nicht leicht fällt und der Gedanke an Murnau mich zittern lässt. Meine Entscheidung,
dorthin zu gehen, steht unumstößlich fest. Allerdings …«
    »Allerdings weißt du
nicht, was du tun wirst, wenn du da bist«, mutmaßte Norby.
    »So ist es.« Bernina
atmete tief ein. »Womöglich laufe ich geradenwegs in mein Verderben.«
    »Ich werde bei dir
sein.«
    »Was auch kommen mag:
Ich will Egidius Blum gegenübertreten.«
    »Die Frage ist nur, was
du dir davon versprichst. Er war schon einmal drauf und dran, dich vor einen
Scheiterhaufen fesseln zu lassen.«
    »Und dennoch –

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