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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Frankreich bist du
uns auf den Fersen? Seit jenem Tag, als du …«
    Sein Kopfschütteln
unterbrach sie. »Nein, nicht seit Frankreich. Zunächst ließ ich mich einfach
treiben. Das Pferd trottete vor sich hin, und ich war zufrieden mit dem Weg,
den es einschlug. Ich hatte keine Ahnung, welcher mein nächster Schritt sein
sollte. Dann aber …« Er stockte. »Dann aber zog mich diese Gegend hier an. So
stark, dass es nicht in meiner Macht lag zu widerstehen.« Nils Norby richtete
sich zu seiner vollen Größe auf, ehe er fortfuhr: »Ich habe dir gesagt, ich
würde weiter um dich kämpfen. Das war mein Ziel gewesen, Bernina. Du, Bernina.
Das letzte Ziel, das mir in meinem Leben geblieben zu sein schien. Ich habe dir
gesagt, dass du mir nicht verbieten kannst, um dich zu kämpfen.«
    Er sah sie an, mit
diesem festen Blick, den sie erwiderte, ohne eine Regung erkennen zu lassen.
Zunächst noch meinte Bernina, er spreche hart, gefühllos, beinahe roh. Doch ihr
wurde rasch klar, dass es allein Leidenschaft war, die aus seinen Worten klang,
die ihn beherrschte. Und die ihn letztlich bis hierher zurückgeführt hatte.
    »Du hast einen weiten
Weg auf dich genommen«, war alles, was sie in diesem Moment zu äußern
vermochte.
    Norby lachte auf,
allerdings ohne Freude, eher mit Bitterkeit. »Seit heute morgen ist alles
anders. Anselmos Tod hat alles verändert. Es ist verrückt, aber würde er noch
bei dir sein, wäre es leichter für mich, um dich zu kämpfen. So jedoch … Es ist
… Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Bernina senkte die
Augen. »Ich kann es dir auch nicht sagen.«
    In
diesem Moment trat Baldus ans Feuer, um sich die Hände an den Flammen zu
wärmen. Bernina fühlte eine Erleichterung, nicht mehr mit dem Schweden allein
zu sein, und sie glaubte, ihm ging es genauso. Nach einer Weile des Schweigens
ließen sie sich schließlich zu dritt am Lagerfeuer nieder. Teichdorf lag tief
im Dunkeln, irgendwo da hinten, als gäbe es den Ort überhaupt nicht. Dem Gnom
fiel es nicht leicht, seine Neugier im Zaum zu halten, und so begann er, Fragen
zu stellen. In kurzen Worten umriss Bernina, was im Dorf passiert war –
offenbar hatte sich Norby bei ihrer Rückkehr ziemlich bedeckt gehalten.
    »Was glaubst du«, wandte
sich Bernina dann ihrerseits an den Schweden, »was ist mit dem Anführer der
Spanier passiert, dem Mann mit der Krücke? Und seinem Sohn?«
    Norby verzog kurz den
Mund. »Hm, ich denke, die Spanier hatten letzten Endes nicht die geringste
Chance. Zwar waren sie bestens ausgeruht nach der langen Zeit in Teichdorf, in
der sie sich nur die Bäuche vollgeschlagen haben, doch die Übermacht war
einfach zu groß. Die meisten werden tot sein. Oder gefangen genommen. Aber wie
es dem Anführer erging, das konnte ich nicht mit eigenen Augen sehen. Hatte ja
genügend damit zu tun, uns beide aus dieser Hölle herauszubringen.« Er
beschrieb eine lässige Geste mit der Hand. »Über diese Männer würde ich mir
keine Gedanken mehr machen, Bernina. Die Rose von Alvarado gibt es nicht mehr.
Endgültig. Weder in Spanien noch hier. Noch sonst irgendwo.«
    Berninas Blick verfing
sich in den lodernden Flammen, und als sie darin Anselmos Gesicht zu erkennen
glaubte, schloss sie die Augen.
    »Ich hoffe, Sie sind
nicht böse«, sprach der Gnom sie an, »dass wir schon so weit weg sind von
Teichdorf. Und damit auch von dem Tal, in dem Ihr Hof liegt. Es war mein
Vorschlag gewesen, und dieser Herr hier war einverstanden.« Er nickte kurz in
Norbys Richtung. »Ich wollte, dass wir einfach so viel Abstand wie möglich
zwischen uns und die Soldaten bringen. Sie können überall hier sein. Und nicht
nur die Franzosen, auch die kaiserlichen Truppen, die ebenfalls nicht
zimperlich sind, wenn es darum geht, die Bevölkerung für sich leiden zu
lassen.«
    »Das ist mir schon
klar.« Bernina sah ihn an. »Doch weshalb sollte ich böse sein?«
    »Nun ja, ich dachte nur,
Sie wollten vielleicht noch einmal Ihren Hof sehen und wären nicht damit
einverstanden, dass wir … Ich war überzeugt, Sie wollten zum Hof, selbst wenn
er …«
    »Zerstört ist«,
vollendete sie den Satz. »Du kennst mich recht gut, Baldus. Zuerst spielte ich
tatsächlich mit dem Gedanken. Aber nein, nach all den schlimmen Gerüchten und
Nachrichten, die wir auf dem Weg hierher aufschnappen konnten, habe ich leider
keinerlei Hoffnung mehr für den Petersthal-Hof. Und in Trümmern – nein, so will
ich ihn nicht sehen. Jedenfalls jetzt nicht.«
    »Was ist dann Ihr

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