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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Soldaten gewesen. Heute sind sie nur
noch Plünderer und Verbrecher.«
    »Sicher, um die schönen
Stücke, die Sie nach Schlettstadt bringen wollten, ist es mehr als schade. Aber
seien Sie froh, dass Ihnen selbst nichts Schlimmeres passiert ist.«
    Seit einiger Zeit war
kein Schuss mehr gefallen.
    »Wir sollten die Ruhe
nutzen«, sagte Schwarzmaul, »um die unteren Fenster und die Tür noch stärker zu
verbarrikadieren. Als ich den Ort erreichte, traf ich einige arme Leute, die
von Soldaten aus ihrem Haus vertrieben worden waren und sich auf dem Weg zu
Verwandten befanden.«
    Bernina stand rasch auf.
»Ja, das kann nicht schaden.«
    »Typisch Pierre«,
knurrte der Goldschmied. »Dass er sich ausgerechnet jetzt davongestohlen hat.
Dieser dumme Kerl!«
    »Davongestohlen?«,
wunderte sich Bernina.
    »Haben Sie es denn nicht
bemerkt?« Er erhob sich ebenfalls. »Weg! Einfach weg! Als ich hier war, ging
ich zunächst in sein Zimmer. Er sollte mir mit den Fenstern und der Tür helfen.
Aber dieser Nichtsnutz, er war gar nicht da.« Sorgen mischten sich in seinen
Tonfall. »Der Junge wird doch nicht auf und davon sein?«
    »Verdient hätten
Sie’s!«, sagte Bernina. »So, wie Sie ihn immer behandeln.«
    »Mir erging es auch
nicht anders«, verteidigte er sich. »Meister lehren ihre Gesellen auch mit der
Faust, so ist das nun einmal.«
    »Kein Grund, es
ebenfalls so zu halten. Vor allem bei Pierre. Er ist ein gutherziger,
geschickter Junge.«
    Auf Schwarzmauls Stirn
zeichneten sich tiefe Furchen ab. »Das ist mir schon klar.«
    »Dann denken Sie auch
daran, wenn er wieder da ist.«
    »Ich werde mich
bessern«, versprach er. »Haben Sie denn eine Ahnung, warum er ausgerechnet
heute verschwunden ist? Doch nicht nur für seinen ersten Besuch im Gasthaus?«
    »Bestimmt nicht.«
Offenbar ist unser Pierre, dachte Bernina, noch viel verliebter, als ich
annahm.
    »Wie dem auch sei.
Lassen Sie uns erst mal den Schrank und die Truhe vor die Eingangstür schieben
und …«
    Ein Klopfen an einem der
Fensterläden unterbrach Schwarzmaul. Verdutzt sah er Bernina an. »Da ist er
ja.«
    Oder Irmtraud, schoss es
Bernina durch den Kopf.
    Aber es war tatsächlich
Pierre, der schließlich durch die rasch geöffnete Haustür hineinschlüpfte. Sein
Meister wollte ihn sich schon vorknöpfen, doch Berninas klare, harte Stimme
stoppte den Mann: »Vergessen Sie jetzt bloß nicht, was Sie eben gesagt haben!«
    Es wirkte, und er hielt
sich zurück.
    Pierre hatte ohnehin
ununterbrochen nur auf Bernina gestarrt. In seinen Augen schimmerte
Verzweiflung auf. Immer wieder deutete er nach draußen. Seine Lippen
erzitterten stumm. Nur tief aus seiner Kehle drangen ein paar heisere,
unverständliche Laute zu Bernina.
    »Was ist los?«, drängte
sie. »Gib mir Zeichen, wie sonst auch.«
    Seine Hände deuteten
langes Haar an.
    »Irmtraud?«, mutmaßte
Bernina.
    Aufgeregtes Nicken war
die Antwort.
    »Wer ist Irmtraud?«,
fragte Schwarzmaul, aber niemand beachtete ihn.
    Pierre pochte auf seinen
Bauch, immer und immer wieder.
    Bernina sah ihn ratlos
an.
    Dann zeigte er auf
einige blutverkrustete Kratzer, die er sich bei der Arbeit zugezogen hatte.
    »Blut?« Bernina
betrachtete die harmlose Schramme. »Verwundet? Ist sie verwundet? Schwer
verwundet?«
    Noch aufgeregter sein
Nicken.
    »Bring mich zu ihr!«,
entschied Bernina kurz und bündig.
    »Halt!«, rief Schwarzmaul
sofort. »Keiner von euch verlässt heute Nacht das Haus.«
    Bernina sah ihm in die
Augen. »Tut mir leid, Meister. Ich werde nicht seelenruhig hier sitzen, wenn
jemand, den ich kenne, in Not ist. Ich habe bereits einen Fehler gemacht.« Du
hättest Irmtraud nicht einfach gehen lassen dürfen, schimpfte sie in Gedanken
mit sich selbst.
    »Aber …«, wollte
Schwarzmaul widersprechen, doch es war allein ihr Blick, der ihn verstummen
ließ.
    Bernina und Pierre
drückten sich an ihm vorbei.
    »Sie sind wirklich
verrückt«, sagte er matt, während sie die Tür wieder öffnete. Bernina war schon
draußen und hörte ihn nicht mehr.
    Sie folgte Pierre durch
enge Seitengassen, einmal sogar durch einen nur drei Schritt breiten Korridor
zwischen zwei schiefen Hausreihen. Die Nacht hatte sie und den Jungen mit
kühler Luft empfangen, aber ohne einen einzigen Regentropfen. Ruhig die Gebäude
ringsum, doch diese Stille konnte nicht über die gespannte Stimmung
hinwegtäuschen, die den gesamten Ort erfasst hatte.
    Hintereinander, er
weiterhin vorneweg, gelangten sie an die Stadtmauer, der sie ein

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