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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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doch öfter selbst das Wort zu
ergreifen.
    »Ich weiß überhaupt
nicht, woran das liegt«, erwiderte sie schließlich bescheiden. »Manchmal kommt
es mir vor … ja, beinahe wie ein Tanz.«
    »Wie ein Tanz«, prustete
Meissner los. »Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass du ein ganz
eigenartiger Junge bist.« Belustigt schüttelte er den Kopf. »Aber ein
verteufelt guter Fechter, das steht fest.«
    Es war ein früher Abend,
und die Truppe lagerte an einer langgezogenen Felsspalte, die den Blick in ein
fernes, von Nebel verhangenes Nichts freigab. Regen hatte eingesetzt und sich
wieder in der kühlen Luft verloren. Der Feldwebel und sein Soldat namens Falk
gingen langsam zurück zum Rest der Männer. Hier konnte keinerlei Holz
aufgetrieben werden, und so würde man sich einmal mehr mit kaltem, getrocknetem
Fleisch begnügen müssen. Noch war die Stimmung in Ordnung, doch es wurde
erwartet, Nils Norby würde endlich seine Ankündigung wahrmachen und mehr über
ihre Ziele berichten.
    »Es würde mich durchaus
reizen«, fuhr Meissner fort, »zu sehen, ob du das, was du erlernt hast, bereits
in einem richtigen Kampf einzusetzen wüsstest.« Seine Hand berührte kurz
Berninas Schulter, und sie blieben stehen.
    »Schwer zu sagen«, wich
sie aus.
    Abschätzend betrachtete
er sie. »Du bist sogar Hauptmann Norby aufgefallen.«
    Bernina spürte, dass sie
fast unmerklich zusammenzuckte. »Ist das wahr?«
    »Zuerst wunderte er
sich, dass ich mir so große Mühe mit dir gebe. Als er dann jedoch sah, wie du
zu fechten imstande bist, da schien er mir nicht unbeeindruckt zu sein.«
    Aus einem Impuls heraus
versuchte Bernina, die Situation zu nutzen. »Sie kennen Nils Norby schon lange,
Herr Feldwebel?« Ganz leise war ihre Stimme zu Meissner geflirrt, der kurz die
Augenbrauen hob.
    »Es ist zwar noch nicht
lange her, dass er und ich einander vorgestellt wurden, aber gehört habe ich
bereits viel früher von Norby.«
    Sie fühlte die Neugier
in sich und ertappte sich dabei, wie ihr Blick den großen, breitschultrigen
Schweden suchte, der in einiger Entfernung mit einem kleinen Gefolge aus
erfahrenen Männern den Zustand der Pferde überprüfte. »Und was hörten Sie über
ihn?«
    »Vieles hörte ich.
Beeindruckendes.« Meissners Blick schweifte in die Weite. »Ein Mann mit
außergewöhnlichen Fähigkeiten. Wie er selbst schon sagte, war er ein Offizier
Gustav Adolfs. Mit seinem König kam er in unser Reich. Doch wie ich hörte, war
er bereits wesentlich früher hier. Er entstammt keiner adligen Familie, sondern
aus recht einfachen Verhältnissen, ein gewöhnlicher Soldat der Flotte, mehr
nicht. Aber seine Courage und sein messerscharfer Verstand blieben nicht
unbemerkt. Wichtige Männer wurden auf ihn aufmerksam, er lernte sogar den König
höchstpersönlich kennen, und der war ebenfalls äußerst angetan von dem jungen
Nils Norby.«
    »Woher wissen Sie das alles
über ihn?«, erkundigte sich Bernina nach einer kurzen Pause leise.
    »Ach, in den Armeen hört
man so einiges im Laufe der Zeit. Seit 20 Jahren lebe ich mit dem Krieg. Und
dieser Krieg, so grausam er auch ist, bringt immer wieder große
Persönlichkeiten hervor. Wahre Legenden. Und Norby hätte eine dieser Legenden
werden können.«
    »Hätte?«, betonte
Bernina fragend.
    »Zunächst lief alles gut
für ihn. Vielleicht weißt du das ja, aber der schwedische König litt sehr unter
der Tatsache, dass seine Frau ihm keinen Thronfolger geboren hatte – nur eine
Tochter. Gustav Adolf nahm sich Norbys auf besondere Weise an. Er war offenbar
ein junger Mann, der es wert gewesen wäre, der Sohn des Königs zu sein. Gustav
Adolf hatte Hochachtung vor den Schulen unseres Reiches, und er sorgte dafür,
dass Norby im Collegium Illustre in Tübingen ausgebildet wurde. Hast du schon
einmal davon gehört, Falk?«
    Bernina schüttelte den
Kopf.
    »Das
war eine Ritterakademie von beachtlichem Ruf. Nur die besten jungen Männer
erhalten die Gelegenheit, sich an einem solchen Ort zu beweisen. Der Lehrplan
umfasst Hof- und Staatsdienst, vor allem aber Heeresdienst. Der Kampf wird
gelehrt, in jeglicher Ausprägung. Mannhaftigkeit in der Gefahr, rascher
Entschluss zum Handeln, Schnelligkeit in der Ausführung. Das ist es, was zählt.
Aber auch Sprachen, Naturwissenschaften, Recht und Geschichte werden den jungen
Männern nahegebracht. Und sogar der Tanz.« Der Feldwebel lachte verhalten, ehe
er weitersprach. »Ein neuer Typ des Edelmanns wurde in Tübingen geformt,
gewandter,

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