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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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nach
draußen geleitete, äußerte er kein einziges Wort mehr. Nachdem der Diener die
Pferde hergeführt hatte, schickte er den Mann mit einem kurzen Nicken ins Haus.
    Die Dämmerung schien
nicht mehr lange auf sich warten zu lassen.
    Der Schwede und Bernina
stiegen auf.
    Kurz bevor sich auch
Alvarado zurückzog, erklang doch noch einmal seine Stimme: »Muy poderoso
caballero es don Dinero! – Wer Geld besitzt, hat die Macht!« Erneut sein
Lächeln. »Mir Ihrer Hilfe holen wir das Alvarado-Vermögen zurück, Hauptmann.«
    Damit zog er die Tür zu.
    Bernina sah Nils Norby
an, sagte aber nichts. Ihre Stute wieherte kurz auf. Um sie herum noch immer
der Bienenkorb aus eilenden, schnatternden, Lasten tragenden Menschen.
    »Hier trennen sich
unsere Wege«, meinte Norby auf einmal, ohne den Blick von ihr zu lösen.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Du wirst vorausreiten.
Zurück zu den anderen. Ich habe an einer anderen Ecke Valencias noch etwas zu
erledigen – und werde dir bald folgen.« Völlig ausdruckslos sein Tonfall.
    Sie zögerte.
    »Das ist ein Befehl,
Soldat Falk.«
    Die Stute wurde angesichts
des Stimmengewirrs rundum unruhig, und Bernina zog einmal kurz an den Zügeln.
Fieberhaft überlegte sie, ihre Gedanken rasten. Norbys Blick kam ihr in den
Sinn, dieser Blick, als zuvor von der schönen Villa die Rede gewesen war. Sie
erinnerte sich auch an das, was bei dem Teich geschehen war. Und doch wusste
sie auf einmal ganz genau, was sie tun würde.
    Kerzengerade saß der
Schwede im Sattel. »Reite endlich los, Soldat.«
     
    *
     
    Als hätte jemand ein schwarzes Tuch über die Stadt und die
umliegenden Gegenden geworfen: Die Dunkelheit kam ganz plötzlich,
überfallartig. Nur allmählich wagten sich Sterne hervor. Vereinzelte
Lichtpunkte, die die Orientierung nicht viel einfacher machten. Der Untergrund
war tückisch, Bodenwellen und Vertiefungen ließen sich kaum erkennen. Das Pferd
setzte die Hufe mit Vorsicht, die Reiterin hielt die Zügel straff.
    Nach einer ganzen Weile
brachte sie das Tier zum Stehen. Erst jetzt ein Blick zurück: Durch die Feuer
und Kerzen, die in Valencia entzündet waren, wurden die Silhouetten der Gebäude
mit hellem Strich nachgezeichnet. Doch die Nacht war zu mächtig – die ganze
Welt schien in Finsternis zu erstarren.
    Zunächst war die Stille
nach dem Lärm der Stadt angenehm gewesen. Inzwischen schwebte in dieser Ruhe
etwas Unheimliches, geradezu Bedrohliches. Die ungewohnte Umgebung, der auch
hier noch wabernde Duft des Meeres, der Geruch unbekannter Pflanzen. Das Fremde
war dabei, Bernina aufzusaugen. Sie hörte ihren eigenen Atem und das
zeitweilige Schnauben der Stute unnatürlich laut. Zum ersten Mal seit jenem
schrecklichen Morgengrauen, als die arme Irmtraud starb, war Bernina wieder
allein. Völlig allein. Und sie wurde sich der Einsamkeit um sie herum allzu
deutlich bewusst.
    Kaum Abkühlung, die Luft
klebte auf Berninas Haut. Auch in ihrem Innern war ein hitziges Brodeln. Sie
riss den Schnurrbart von ihrer Oberlippe und warf ihn achtlos auf die Erde. Sie
nahm den Hut ab und schleuderte ihn weg. Warum sie das tat, wusste sie nicht.
Aber da war eine Erleichterung, die sie sogleich erfüllte. Die Zeit der
Maskerade war vorüber – zumindest das wusste sie. Ihr Haar reichte gerade bis
in die Kuhle ihres Nackens, doch war es bereits so weit nachgewachsen, dass es
vom warmen Wind etwas durcheinander gewirbelt werden konnte. Und dann der
Moment, auf den sie seit dem Gebirge wartete: Sie streifte den Umhang von den
Schultern, und der leuchtend rote Stoff wehte durch die Luft, ehe auch er
irgendwo im Staub landete. Es wird Zeit, wieder du zu sein, sagte sich Bernina.
Doch schon bald wusste sie nicht mehr, wo sie sich befand. Die Sicht wurde
immer schlechter.
    An einem Bach, eher
einem dürftigen Rinnsal, an das ihr zufälliger Weg sie führte, machte sie Halt.
Die Stute, die noch immer keinen Namen erhalten hatte, soff gierig. Berninas
Unruhe schien sich auf das Tier übertragen zu haben, es wirkte nervös.
Womöglich tat ihm das Wasser gut. Ein paar Schritte entfernt befeuchtete
Bernina ihre Hände. Sie wusch sich Staub und Schweiß vom Gesicht und trank ein
bisschen.
    Du hast dich verirrt,
gestand sie sich endlich ein und wurde nur noch unruhiger. Womöglich war sie
die ganze letzte Zeit über im Kreis geritten. Sie ging zum Pferd und legte ihre
Hand auf den Hals des Tieres. »Ich weiß, dass du erschöpft bist«, flüsterte
sie. »Nicht nur wegen des heutigen Tages.« Irgendwie

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