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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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werden lasse.«
    »Doch dem steht Ihre
Schwägerin im Weg?« Norby runzelte die Stirn. »Wenn Sie mir die Bemerkung
gestatten: Offenbar ist das keine gewöhnliche Dame.«
    »Ich gestatte es.
Gewöhnlich an ihr sind bloß ihre Gier und Rücksichtslosigkeit.« Mit der Hand
schlug er auf die Tischplatte. »Ja. Sie gehört zu den Lobos. Unserer roten
Flagge mit der Rose wurde bei der Hochzeit der Wolfskopf der Lobos hinzugefügt.
Ernesto und Elena bekamen einen Sohn, und alles schien gut zu verlaufen. Bis
herauskam, dass die Lobos ein heimtückisches Spiel trieben. Über Jahre hinweg
betrogen sie uns, zapften unsere Geldquellen an. Mein Bruder wurde von seiner
eigenen Frau verleumdet. Sie lastete ihm ein Verbrechen an, das er nicht
begangen hatte. Er sollte zum Tode verurteilt werden. Deshalb trat er die
Flucht an. Schon damals versuchte ich, diese Frau zur Rede zu stellen und sie
ihrer gerechten Strafe zu übergeben. Ich spürte sie auf, doch sie entschlüpfte
den Fängen der Gerechtigkeit. Nun sitzt sie in dieser Festung fest. Auf La
visitación. Ein Gefängnis zwar, allerdings eines aus Gold. Wir Alvarados
verloren an Unterstützung. Ich bin allein. So reiste ich ins Kaiserreich, mit
dem unsere Familie immer gute Beziehungen unterhielt. Es gelang mir, Geld
aufzutreiben. Und ich sicherte die letzten Reste unseres Goldvermögens: das
Einzige, was diese skrupellose Frau nicht stahl. Die Münzen mit unserem
Familienwappen. Sie sind der Lohn für die Armee, die die Festung erstürmt.« Er
riss sich die samtene Kopfbedeckung vom Haar. »Ich will Rache. Rache und
Gerechtigkeit. Auch für Ernesto. Für meinen Bruder.«
    Langsam erhob er sich,
um aus einer Truhe eine zusammengerollte Karte zu holen. Er schob die Schüsseln
beiseite und breitete das fleckige, rissige Papier aus.
    »Sie, Hauptmann Norby,
werden Ihre Armee vorbereiten. Dieser Plan zeigt Ihnen nicht nur, wo die
Festung liegt, sondern auch, wo ihre Schwachstellen sind.« Alvarados langer
Finger strich über die Landkarte, und Bernina folgte ihm mit ihren Augen.
    »Ich setze auf Sie und
Ihre Männer.« Dann ein flüchtiges grüblerisches Lächeln. »Dabei spielte mir der
Zufall kürzlich noch ein anderes Druckmittel in die Hände. Ein sicherlich
wirksames Druckmittel, um Elena in Bedrängnis zu bringen. Doch leider entglitt
es mir wieder …«
    Norby ergriff die Karte
und faltete sie zusammen. »Ich bin bereit.« Ganz ruhig sagte er das.
    »Wir
werden uns noch einmal treffen, bevor Sie zum entscheidenden Schlag ausholen.
Ich stelle Ihnen dann noch einige Männer vor, die die Erstürmung unterstützen
werden. Nicht viele, aber mutige Kämpfer. Der Treffpunkt ist eine überaus
schöne Villa. Sie wurde einst mit Mitteln erbaut, die aus unseren Geschäften in
der Neuen Welt stammten. Eine Perle innerhalb des Alvarado-Besitzes. Sozusagen
eines der wenigen verbliebenen Schmuckstücke.«
    Zum ersten Mal, seit sie
dieses Gewölbe betreten hatten, wechselten Norby und Bernina einen stummen
Blick.
    »Verzeihen
Sie mir die Geheimniskrämerei, Hauptmann Norby, doch wir Alvarados mussten
lernen, vorsichtig zu sein. Nur so viel Vertrauen schenken wie gerade nötig.
Und unterschätzen Sie bloß nicht diese Frau. Nicht allein wegen ihres Namens,
Lobo bedeutet Wolf, nennt man sie eine Wölfin. Obwohl sie für mich eher eine
Schlange ist.«
    »Wo
ist diese Villa?«, erkundigte sich Norby. Sein Blick war auf den Spanier
gerichtet, Bernina fühlte jedoch, dass er sie dennoch mit ganzer Aufmerksamkeit
im Auge behielt.
    Alvarado
präsentierte eine weitere Karte, die er diesmal aus seinem Wams zog. Sie war
kleiner, eine knapp gehaltene Skizze. Kaum hatte er sie vom Kerzenlicht
erhellen lassen, nahm Norby sie auch schon an sich.
    Berninas Augen hatten
schnell sein müssen.
    Sie spürte, dass Norby
nun erst recht darüber rätselte, was sie wohl beabsichtigen mochte. Aber das
war für sie selbst ja noch völlig unklar.
    »Ich, Juan Alvarado,
vertraue auf Sie, Hauptmann.«
    »Das können Sie auch,
mein Herr.«
    »Mein Diener wird die
Pferde vor das Haus bringen.«
    Norby erwiderte nichts
und deutete eine respektvolle Verbeugung an.
    »Die Villa ist nicht
weit von der Festung La visitación entfernt. Wir werden uns morgen Abend wieder
sehen. Ich bin schon gespannt auf Ihr Gefolge. Und darauf, Ihren Angriffsplan
zu erfahren.«
    »Wir werden uns die
Wölfin schnappen«, sagte Norby lässig.
    Juan Alvarado nickte und
lächelte. Während er seine beiden Besucher zurück zur Eingangstür und

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