Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
die Tür hinter sich ab. »Das Schlüsselloch, Gabrielle – verstopf es auch mit irgendwas!« Falls auch Vampire in der Lage waren, in Form von Dunst durch winzige Öffnungen zu schlüpfen, wie sie es bei Traian gesehen hatte, wusste sie nicht, wie sie die Monster draußen halten sollten. »Wieso sind sie hier, Gary?«
»Höchstwahrscheinlich deinetwegen«, antwortete er. »Der sicherste Weg, einen karpatianischen Mann herbeizulocken, ist, seiner Seelengefährtin nachzustellen. Sie werden versuchen, einen von euch dazu zu bringen, sie hereinzulassen. Falls ihr also eine einschmeichelnde Stimme hört, ist es eine Täuschung. Steckt euch Watte in die Ohren und haltet sie euch zu. Tut alles, um nicht zuzuhören. Falls einer von euch einen anderen zur Tür gehen oder sogar reden und jemanden hereinbitten sieht, haltet ihn auf, selbst wenn ihr ihn dazu niederschlagen müsst.«
»Sie sind auf jeden Fall schon hier.« Jubal zog den Ärmel seines Hemdes hinauf, sodass sein magischer Armreif Licht im Zimmer verbreitete. Die todbringenden Klingen traten jetzt nur allzu deutlich in Erscheinung.
Gary schüttelte den Kopf und seufzte. »Ich werde besser nicht mal fragen, Jubal.«
Schatten tauchten hinter dem Fenster auf und zogen auf und ab, als suchten sie etwas. Der Wind frischte so stark auf, dass die Äste der Bäume mit beängstigendem Knarren gegen die Mauern des Gasthofs schlugen. Dunkle Wolken ballten sich zusammen und bildeten gespenstische Erscheinungen vor dem Mond. Ein Fleck breitete sich am Himmel aus, wo er nach und nach die Sterne auslöschte und auf heimtückische Weise weiterkroch, bis nahezu jedes Licht erloschen war. Der Wind, der heulend gegen die Fenster und die Verandatür schlug, brachte Stimmen mit. Sanfte, raffinierte, honigsüße und verführerische Stimmen. Oder flehende, die um Hilfe riefen. Eine Frau, die direkt vor der Zimmertür zu stehen schien, bettelte um Einlass.
»Joie?« Gabrielle sah ihre Schwester Rat suchend an.
Gary, der neben Gabrielle stand, legte beschützend seinen Arm um sie. »Traian wird bald hier sein. Bis dahin können wir durchhalten.«
Jubal stellte den CD-Player so laut, dass die Musik ihnen in den Ohren dröhnte. Jemand ergriff die Türklinke und rüttelte so hart daran, dass das Holz klapperte und splitterte. Jubal rannte hinüber und stellte sich zwischen die Tür und seine Schwestern. Aber Joie trat neben ihn.
»Gary, bring Gabby hier heraus!«, drängte sie mit wild pochendem Herzen. Jubal hatte eine dieser Bestien mit seinem Armreif getötet. Vielleicht würde es ihm wieder gelingen, hoffte sie und schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel.
»Glaubt mir, im Moment sind wir in diesem Zimmer sicherer als woanders. Und die Gefahr ist geringer, wenn wir zusammenbleiben«, sagte Gary und stellte sich an ihrer Seite auf. »Jubal, du bewachst die Fenster. Falls du irgendetwas siehst, das wie Rauch oder Nebel aussieht und durch eine Ritze einzudringen versucht, musst du sie mit einem Hemd, den Decken oder was auch immer abdichten, damit es draußen bleibt.«
Wieder wurde gegen die Tür geschlagen, hart genug jetzt, um sogar den Rahmen zu erschüttern. Gabrielle presste sich die Hand auf den Mund, um einen entsetzten Schrei zu unterdrücken.
»Ihr könnt nicht herein«, sagte Gary, ohne seine Stimme zu erheben. »Ihr seid nicht eingeladen, und ihr könnt euch keinen Zugang zu diesem Zimmer verschaffen.«
Ein irres Gelächter antwortete ihm. Etwas sehr Schweres polterte dumpf gegen die Tür und übte einen so starken Druck auf das Holz aus, dass es sich nach innen wölbte.
Kapitel elf
I n Gestalt einer Eule jagte Traian über den schon dunklen Himmel. Joie hatte keine Chance, einen Meistervampir abzuwehren, nicht einmal mithilfe von Garys enormem Wissen über die Untoten oder Jubals Waffe. Oft erforderte es zwei oder manchmal sogar drei sehr erfahrene Jäger, um einen Meistervampir zu töten. Das Beste, worauf die Menschen hoffen konnten, war, die Vampire bis zu seinem Erscheinen aufzuhalten.
Der Wind frischte so stark auf, dass Äste und Zweige von den Böen durch die Luft geschleudert wurden wie Missiles. Eine trichterförmige Wolke wirbelte vom Boden auf, ein dunkles, aufgewühltes Monster, das gierig die Finger nach ihm ausstreckte. Traian flog gegen eine unsichtbare Barriere und prallte derart hart gegen das Hindernis, dass er zur Erde hinunterstürzte.
Die schwarze Masse dehnte und streckte sich derweil, um einen gespenstischen Kopf mit weit aufgerissenem
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