Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
wird euch niemals die Erinnerung nehmen, Jubal. Denn dann würde ich ihn erschießen, und das weiß er. Sei nicht so ein Trottel, Mann.« Als sie sah, dass Gary sie beobachtete, hob sie schnell ihr Glas an die Lippen und trank einen kleinen Schluck daraus. Fast augenblicklich verkrampfte sich ihr Magen, und sie stellte das Glas sehr vorsichtig wieder zurück. »Reisen Sie viel, Gary?«
Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Das wäre zu gefährlich, da ich schon eine ganze Weile auf einer Todesliste stehe. Die Karpatianer beschützen mich, und um ehrlich zu sein, muss ich zugeben, dass ich sowieso viel zu stark auf meine Arbeit fokussiert bin.«
»So geht es mir auch, wenn ich in einem Labor bin. Die Zeit vergeht, und manchmal bin ich dort tagelang, ohne auch nur ein Auge zuzumachen«, pflichtete Gabrielle ihm bei.
Joie konnte den genauen Moment bestimmen, in dem die Sonne unterging. Sie sah zwar nicht die Orange- und Rottöne am Himmel, aber mitten in der angeregten Unterhaltung um sie herum bemerkte sie es plötzlich. Sie spürte auch den jähen Ruck, der durch die Erde ging, als die Vampire sich erhoben, und ihr Herz begann vor Furcht verrücktzuspielen.
Traian! Sie versuchte, eine Verbindung zu ihm herzustellen, indem sie seinen Geist anrührte, und spürte seine sofortige Bestätigung. Er hatte den Schlafplatz der Vampire nicht gefunden. Diesmal hatten sie nicht in der Höhle der Magier Unterschlupf gesucht.
»Joie?« Gabrielle berührte ihre Hand. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Jubal legte die Gabel hin und blickte sich aufmerksam in dem Speisezimmer um. Der Armreif erhitzt sich wieder. Bisher ist er bloß warm, aber das ist kein gutes Zeichen.
Über das Gebäude zog ein dunkler Schatten, der sich so schnell voranbewegte, dass sich für einen Moment absolute Stille über den Speisesaal legte und die Gäste beklommene Blicke wechselten.
Gary reagierte augenblicklich, indem er Gabrielles Handgelenk ergriff und so ruckartig aufsprang, dass sein Stuhl umkippte. »Komm mit, sofort!« Er riss Gabrielle regelrecht vom Stuhl und zog sie mit sich, als er sich hastig einen Weg um die Tische herum bahnte.
Jubal besah sich noch bedauernd sein Essen, als Joie ihm einen Klaps auf den Hinterkopf versetzte. »Es könnte deine letzte Mahlzeit sein, wenn du noch länger trödelst«, warnte sie.
»Es könnte so oder so mein letztes Essen sein«, moserte er. Aber er war immerhin schon aufgesprungen und eilte Gary und Gabrielle nach, wobei er mit einer Hand sein Handgelenk mit dem Armband bedeckte, von dem inzwischen ein schwaches Licht ausging.
Jetzt wird es richtig heiß , informierte er seine Schwestern. Als Nächstes werden die Klingen herausspringen.
»Ruf ihn zurück, Joie!«, rief Gary ihr über die Schulter zu. »Ruf Traian und bring ihn her! Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Joie zögerte keine Sekunde angesichts der Dringlichkeit in Garys Stimme. Traian! Sie sind hier. Die Untoten sind im Gasthof. Gary meint, du müsstest so schnell wie möglich kommen.
Tut, was Gary sagt. Er wird wissen, wie ihr euch zu verhalten habt, bis ich kommen kann. Sie dürfen keinen von euch zu fassen bekommen. Zielt auf das Herz, falls ihr euch verteidigen müsst. Sie sind hervorragende Täuscher und Gestaltwandler.
Traians sachliche Stimme beruhigte Joie. Jubals Armband wird heiß. Beim letzten Mal, als das geschah, sprangen die Klingen heraus. Gary wird sie sehen, es gibt keine Möglichkeit, sie vor ihm zu verbergen.
Wir haben keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Ich weiß auch nichts über eure Herkunft, aber ihr seid meine Familie und steht unter meinem Schutz. Das wird er wissen. Sollte irgendein Karpatianer euch bedrohen, weil diese Magierwaffe zu sehen ist, sagt ihr ihnen, dass ihr alle zu mir gehört. Diesmal lag eine stählerne Härte in seiner Stimme.
Gary stieß die Tür zu seinem Zimmer im Erdgeschoss auf, weil es am schnellsten zu erreichen war und eine ausgezeichnete Fluchtmöglichkeit bot, falls sie eine brauchen sollten. »Kommt rein, und stopft alles, was ihr finden könnt, in die Ritzen um die Türen und Fenster!« Er warf Gabrielle schon Hemden zu, als er zu der Tür lief, die auf die Veranda führte. »Wir müssen uns hier drinnen verbarrikadieren. Sie werden versuchen, uns mittels Suggestivkraft aus diesem Zimmer zu locken. Jubal, auf dem Schreibtisch steht ein kleiner CD-Player. Such irgendeine grässliche Musik heraus, und stell sie richtig laut. So laut es geht.«
Joie schloss
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