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Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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versuchte, seinen verrottenden Körper hinter dem Trugbild dessen zu verbergen, der er einst gewesen war. Sein vollkommen ergrautes Haar wechselte zu Schwarz und Graumeliert. Seine Haut, die schartig und erschlafft war, polsterte sich auf, um wieder den Eindruck gesunder Glätte zu erwecken, und er straffte die Schultern, um einigermaßen würdevoll zu wirken.
    »Traian. Du hast den Meister verärgert. Komm und schließ dich uns an! Er wird dir verzeihen, wenn du uns hilfst.«
    Traians Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Ich hätte nie erwartet, einmal von dir zu hören, dass du einen Meister hast. Karpatianer sind frei. Wir durchstreifen die Welt, steigen zum Himmel auf und begeben uns in die vitalisierende Erde, wo immer wir auch wollen, ohne jemanden, der uns herumkommandiert. Aber du hast deine Freiheit aufgegeben, um zum Sklaven eines Meisters zu werden. Das verstehe ich nicht, Emilian.«
    Mit voller Absicht sprach er den Vampir auch weiterhin mit seinem Namen an, um ihn abzulenken, ja vielleicht sogar von seinem Vorhaben abzubringen. In einer kaum merklichen Bewegung, die ihn ein paar Zentimeter näher an den unerfahreneren Vampir heranbrachte, veränderte Traian ein wenig seine Haltung.
    »Und du bist ein Sklave des Prinzen!«, fauchte Emilian und fletschte herausfordernd die Zähne. Früher einmal blendend weiß, waren sie heute braun verfärbt und nahmen bereits die Form sägezahnartiger Stifte an.
    »Prinz Mikhail kommandiert uns nicht herum, Emilian, und das weißt du auch.«
    »Hast du vergessen, dass er uns aus unserer Heimat fortschickte, uns des Landes verwies und die Frauen für sich und seine Günstlinge behielt?«, schnarrte Emilian mit hasserfüllter Stimme.
    »Ist es das, was dein Meister dir erzählt hat?« Traian riskierte es, noch ein paar Zentimeter näher an den Vampir heranzugleiten, der die geschmeidige Bewegung in seiner Aufregung auch diesmal nicht bemerkte. »Hast du schon so viel vergessen? Der Prinz hat uns selbst entscheiden lassen, ob wir gehen wollten oder nicht, wie es den Gebräuchen unseres Volkes entspricht. Du hast die Entscheidung getroffen, dein Heimatland zu verlassen, genau wie ich. Also mach nicht unseren Prinzen dafür verantwortlich, dass du es nicht geschafft hast, deine Ehre zu bewahren.«
    Emilian fletschte die Zähne, und seine blutunterlaufenen Augen färbten sich rubinrot, als er seine Wut nicht mehr beherrschen konnte. »Wenn du dich dazu entschieden hast, auf sein Geheiß zu kuschen und zu spuren wie ein Hund, nur zu, du Narr! Aber ich werde mich großer Macht erfreuen, und die Welt wird mir zu Füßen liegen.«
    Traian schaffte es, zwei weitere Zentimeter an Emilian heranzutreten, sodass er nun in unmittelbarer Nähe zu ihm stand. »So wie du heute spurst wie ein Hund, der du für deinen Herrn geworden bist, und winselnd um ein Streicheln bettelst, wenn du vor ihm kriechst?«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung überwand Traian die kurze Entfernung zwischen ihnen, stieß Emilian die Faust in die Brust und streckte die Finger nach dem Herz seines alten Freundes aus. Emilian wehrte sich mit Krallen und Zähnen. Verzweifelt versuchte er, sich aus dem erbarmungslosen Griff des Jägers zu befreien.
    Schwarzes Blut verätzte Traians Haut, als er das Organ herausriss und es von sich schleuderte. Emilian stockte und starrte mit großen Augen seinem eigenen Herz nach. Dann ließ er sich mit einem grässlichen Aufschrei auf die Knie fallen, stürzte mit dem Gesicht nach unten zu Boden und streckte flehentlich die Arme nach dem Organ aus.
    Traian ging ein paar Schritte, um sich von den Bäumen zu entfernen und einen Blitz herabzurufen. Weniger als einen halben Meter vor ihm riss der Boden auf und spuckte wie ein Geysir Erdbrocken und Steine in die Luft. Ein schwerer Stein traf Traian an der Brust und trieb ihn weg von Emilians Herz und zu dem am Boden liegenden Vampir zurück.
    Ein zweiter, auch noch verhältnismäßig junger Untoter stürzte sich auf Traian, sprang auf seine Schultern und versuchte, ihm die Augen auszukratzen. Blitzschnell löste Traian sich auf – oder versuchte es zumindest, denn nun packte Emilian ihn am Knöchel, und seine langen Krallen bohrten sich in Traians Fleisch, um ihn davon abzuhalten, sich zu verwandeln. Hämisches Gelächter brach am Himmel aus, als der Meistervampir sich wieder einmal sicher wähnte, die Oberhand über den Jäger gewonnen zu haben.
    In einer einzigen Bewegung wirbelte Traian herum und duckte sich, um den Vampir auf seinen

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