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Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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Elektrizität.
    Traian sprang von dem Ast. Nachdem er schnell wieder seine wahre Gestalt angenommen hatte, lenkte er mit seinen Händen die herumwirbelnden Energiestränge und schleuderte die Kugel in Richtung Stamm; gleichzeitig schien er wieder mit den Bäumen zu verschmelzen. Die feurige Kugel schlug mitten in den verfaulten Baumstamm ein und hinterließ ein verkohltes Loch auf ihrem Weg in den Boden. Dort formte sie einen tiefen Krater, in dem helle Funken knisterten und zischten.
    Schwarzer Dunst stieg aus dem Baumstamm auf und vermischte sich mit den turbulenten dunklen Wolken. Ein grauenhaftes, durchdringendes Wutgeheul erfüllte die Luft. Die schrille, unflätige Worte kreischende Stimme zerrte an Traians Nerven und zerriss ihm fast das Trommelfell. Die Bäume erbebten, und Gras und Laub verwelkten. Das Geräusch entlud sich mit der Kraft eines gewaltigen Donnerschlags vom Boden bis zu den Wolken. Die Druckwelle traf Traian von hinten und schleuderte ihn gegen einen Baum. Er konnte gerade noch den Kopf zurückwerfen, bevor er ihn sich am Baum aufschlug.
    Schnell holte er Luft, nahm den widerlich fauligen Geruch von verbranntem Fleisch wahr und wusste, dass er einen Treffer erzielt hatte. Feuer regnete vom Himmel, und rot glühende Funken entzündeten das Unterholz. Hungrige Flammen züngelten über Gras und Laub und jagten gierig an den Bäumen hoch. Traian breitete die Arme aus und gab einen Befehl, worauf die Wolken aufbrachen und dichte Regenschleier auf die auflodernden Flammen herniedergehen ließen. Der Himmel wurde schwarz vom Rauch und von den aufgewühlten dunklen Wolken. Es war unmöglich festzustellen, wo sich der Vampir befand. Der Untote war erfahren genug, um seine Anwesenheit nicht durch leere Stellen in der Luft zu offenbaren, sondern zog es vor, mit dem Chaos seiner Umgebung zu verschmelzen und weiteren Kämpfen aus dem Weg zu gehen, da er verwundet war.
    Ganz unversehens wurde Traian jedoch von hinten angegriffen. Ein dicker Ast traf ihn hart am Rücken und zwang ihn in die Knie. Sofort warf sich jemand auf ihn, und Zähne schnappten nach ihm, die Traians Nacken jedoch zum Glück verpassten und sich nur in seine Schulter bohrten. Mit gewaltiger Kraftanstrengung fuhr er in die Höhe und zurück, drehte sich blitzschnell um und ließ sich auf den Oberkörper des gierigen Vampirs hinunterfallen.
    Er wusste instinktiv, dass dieser Untote nur eine Schachfigur des Meisters war, die dieser geschickt hatte, um Traian aufzuhalten; einzig ein Opfer, von dem der Meister hoffte, dass es den karpatianischen Jäger schwer genug verwunden würde, um dann ihm selbst die Tötung zu ermöglichen. Er hörte den Vampir vor Schmerzen stöhnen und rollte sich mit ihm herum. Der Untote dachte jedoch nicht daran, ihn loszulassen, sondern grub seine Fänge nur noch tiefer in Traians Schulter. Während sie miteinander über den Boden rollten, spürte Traian, wie sein Fleisch und seine Muskeln zerrissen. Wütend griff er nach hinten, um mit beiden Händen den Kopf des anderen zu packen, brach ihm mit einer ruckartigen Bewegung das Genick, sprang auf und schleuderte den Körper von sich.
    Der Vampir schlug mit einem dumpfen Schlag gegen den gleichen Baum, mit dem auch Traian zusammengestoßen war. Der Aufprall ließ den Baum erzittern. Die Äste kamen in Bewegung, und Laub und Zweige regneten auf die spindeldürre Gestalt des Untoten herunter. Traian erkannte im ersten Moment fast nicht, dass dieser Vampir einmal ein Jugendfreund von ihm gewesen war. Der Untote war genauso alt wie er, und seine mangelnde Erfahrung und die Tatsache, dass er von einem Meister befehligt wurde, bedeuteten, dass er erst kürzlich zum Vampir geworden war. Er hatte sich gegen die zunehmende Dunkelheit in ihm behauptet, solange er es vermocht hatte, doch statt die Morgendämmerung aufzusuchen, um Erlösung zu erlangen, war er schließlich dem Geflüster über den Rausch der Gefühle erlegen, den das Töten seiner Opfer mit sich bringen würde.
    Ganz bewusst ignorierte Traian das Blut, das aus den Bisswunden und dem zerfetzten Fleisch an seiner Schulter quoll, und verbeugte sich leicht vor dem Vampir. »Emilian, ich hätte dich fast nicht erkannt. Es ist viele Jahre her, seit wir uns zuletzt begegnet sind.«
    Der Untote rappelte sich mühsam auf. Seine blutunterlaufenen Augen suchten Traians Blick, um ihm fast augenblicklich wieder auszuweichen, weil er sich nicht in den Jägeraugen sehen wollte. Er klopfte sich den Staub von den Kleidern und

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