Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
Wahrheit sagen. Und wenn Sie meine Schwester auch nur anrühren, kriegen Sie von mir eine Kugel zwischen die Augen.«
Von Übelkeit erfasst, wandte Joie den Blick von dem dickflüssigen schwarzen Blut um die Messerklinge ab.
»Wir müssen die Pflöcke einen nach dem anderen aus ihm herausziehen«, erklärte Gabrielle. »Ich glaube, das schaffen wir zusammen, Joie. Und sobald wir einen entfernt haben, drücke ich auf die Wunde, und du wirst etwas finden müssen, was wir daraufpacken können, um die Blutung zu stoppen. Er kann es sich nicht leisten, noch mehr Blut zu verlieren.«
»Sie werden eine Mischung aus meinem Speichel und Erde daraufgeben müssen«, sagte Traian.
Gabrielle verzog das Gesicht und zeigte auf ihren Rucksack. »Der Erste-Hilfe-Kasten ist in meinem Backpack, Joie, aber ich weiß nicht, wie wir ihn mit diesen Verletzungen danach hinaufbringen sollen.« Ich glaube, er hat solche Schmerzen, Joie, dass er Wahnvorstellungen hat. Speichel wird ihn ganz bestimmt nicht retten.
Joie blickte sich in der Höhle um. »Wenn es hier Erde gibt, liegt sie unter fünfzehn Meter dickem Eis. Wir werden mein Hemd benutzen müssen.« Sie öffnete ihre Jacke, zog dann schnell ihr T-Shirt aus und zerriss es in Streifen, bevor sie den Erste-Hilfe-Kasten holte.
Als sie die Salbe auf den Stoff geben wollte, erschien ein Ausdruck der Gereiztheit auf Traians Gesicht. »Ich habe euch gesagt, wie ich versorgt werden muss, Joie.«
»Willst du wirklich deinen Speichel auf den Verbänden haben?« Joie wusste nicht, ob sie auf ihre Schwester oder auf Traian hören sollte.
»Ja. Mein Speichel wird die Wunden schneller heilen. Und jetzt beeilt euch, oder wir werden alle sterben«, warnte Traian. »Vampire sind sehr gefährlich und äußerst schwer zu töten. Ihr habt Glück gehabt.«
Joie schlüpfte schnell in ihre Jacke, zog den Reißverschluss hoch und drückte Traian die Stoffstreifen in die Hand, weil seine Gehetztheit plötzlich auf sie übergriff. Mit zusammengebissenen Zähnen griff sie nach dem Pfahl in seiner Schulter. »Bist du bereit?« Die Frage galt mehr ihr selbst als ihm. Unsicher blickte sie zu Gabrielle hinüber, die ihr zunickte.
»Tu es einfach.«
Ihr drehte sich der Magen um, als sie den dicken Pflock zwischen die Finger nahm, aber tapfer schloss sie die Augen, holte tief Luft und riss mit aller Kraft daran. Traian stöhnte auf, wurde kreidebleich, und winzige Linien erschienen um seinen Mund. Joie spürte, wie sich der Pfahl ein paar Zentimeter bewegte und aus dem Eis der Wand herausglitt, doch er steckte immer noch in Traians Schulter.
»Ich brauche deine Hilfe, Jubal!«, rief sie und blickte sich nach ihrem Bruder um.
»Einen Moment noch«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Als sie sah, was über den Boden rollte, hatte sie Angst, sich erbrechen zu müssen. Ein schwarzes, arg geschrumpftes Herz hinterließ eine rauchende Säurespur auf dem Eis und Reste einer klebrigen dunklen Flüssigkeit, die in den Höhlenboden sickerte. Mit grimmigem Gesichtsausdruck richtete sich Jubal langsam auf und warf Joies Messer dem über den Boden rollenden Herz hinterher. Das Metall war von Säure zerfressen und zerbrach, wie Traian schon vorausgesagt hatte.
»Haben Sie etwas von dem Blut abbekommen?«, fragte er. »Das würde sich bis zum Knochen durchfressen.«
Jubal schüttelte den Kopf. »Ich habe Joies Messer und meins benutzt, um das Herz aus seiner Brust herauszuschneiden.« Immenser Abscheu klang in seiner Stimme mit. Abrupt schob er Joie aus dem Weg, packte den Pfahl mit beiden Händen und riss mit aller Kraft daran.
Blut spritzte auf, aber Gabrielle legte sofort ihre flachen Hände auf die Wunde und drückte zu, so fest sie konnte. »Stopf diesen Stoff in die Wunde«, sagte sie zu ihrer Schwester. »Hast du antibiotische Salbe daraufgegeben? Er braucht so schnell wie möglich eine Transfusion.«
Joie schob Traian den Stofffetzen in den Mund und ignorierte Gabrielles empörten Laut, als sie den mit Speichel befeuchteten Stoff in die Wunde an seiner Schulter drückte. Traian brach der Schweiß aus.
»Es werden noch andere Vampire kommen. Versucht, das Herz zu treffen. Und denkt daran, dass sie nicht wirklich tot sein werden, bis das Herz verbrannt ist. Sie sind Meister der Täuschung, die ihre Gestalt verändern können. Seht ihnen nie direkt in die Augen, und nehmt euch in Acht mit Mustern. Sie können euch allein mit ihrer Stimme in ihre Gewalt bringen. Sollte das einem von euch
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