Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
geschehen, brecht jede Verbindung zu ihm ab, und lasst ihn, so schwer es euch auch fallen mag, im Stich. Denn ihr werdet ihn nicht retten können.«
Jubal ergriff den zweiten Pflock und riss daran. Traian fiel nach vorn, bevor er es verhindern konnte. Die Belastung für seine Beine musste unerträglich sein, denn er schnappte nach Luft und griff nach Jubals Schulter, um sich darauf zu stützen.
»Reden Sie weiter«, bat Jubal, als Joie ihm den nächsten Stoffstreifen in den Mund schob und wieder herauszog. »Erzählen Sie uns mehr.«
Traian atmete tief ein und straffte sich. »Entschuldigen Sie bitte, aber die Vampire haben mir eine Menge Blut genommen, und ich bin sehr schwach.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen«, sagte Jubal, der schon den dritten Pflock ergriff, während seine Schwester sich um Traians Schulter kümmerte. »Erzählen Sie uns einfach, was wir zu erwarten haben.«
»Verletzungen werden sie verlangsamen, aber nicht aufhalten. Sie ins Herz zu treffen wird Ihnen ein paar Minuten Zeit verschaffen, jedoch nicht mehr als das.«
Er deutete mit dem Kinn auf das geschwärzte Herz. Zu Joies Entsetzen zuckte das verschrumpelte Organ. Mit jeder Bewegung regte sich auch der Vampir, seine langen Krallen entfalteten sich langsam, und seine knochigen Finger zeigten auf das Herz.
Jubal fluchte. »Halten auch Kugeln sie nicht auf?«
»Sie verlangsamen sie nur. Sie dürfen nicht zulassen, dass dieses Herz in seine Nähe kommt.«
Jubal riss den dritten Pflock aus Traian und der Wand und eilte mit großen, entschlossenen Schritten zu dem schwarzen Organ hinüber. »Du verdammtes Ding, verreck endlich!«, fauchte er, während er den Pfahl mitten in das pulsierende Herz stieß und es auf dem Boden der Eishöhle aufspießte.
Der Vampir riss in einem stummen Schrei den Mund auf und fletschte die blutbefleckten spitzen Zähne, um in einer Art von Racheschwur seinen übel riechenden Atem auszustoßen.
»Ihr dürft ihnen keine Furcht zeigen. Sie ergötzen sich daran und lieben vom Adrenalin aufgeputschtes Blut, weil es ihnen einen noch größeren Rausch verschafft«, fuhr Traian fort.
Jubal starrte ihn zornig an. »Sie hätten die Gefahr für meine Schwester bedenken müssen, bevor Sie sie hier herunterlockten«, warf er Traian vor, bevor er nach dem letzten Pflock in dessen Bein griff. »Wie zum Teufel konnten Sie das hier überleben?«
»Ziehen Sie einfach nur das Ding heraus«, versetzte Traian scharf. »Wir müssen uns wirklich sehr beeilen.«
»Tu, was er sagt, Jubal!« Joie spürte die nervöse Anspannung, die Traian beherrschte, und sah die kleinen weißen Linien um seinen gut geschnittenen Mund. »Mr. Blutsauger findet seine Beine wieder.« Zu ihrem Schrecken zuckte das Herz sogar noch mit dem Pflock, der es durchbohrte, und wackelte hin und her, als versuchte es, sich von dem Holzstück loszureißen. »Beeilt euch, sonst könnten wir ein Problem mit unserem Monster kriegen. Es scheint nämlich wieder zum Leben zu erwachen.«
Joies Mund wurde so trocken, dass sie kaum noch schlucken konnte. Egal, was Jubal mit der Bestie angestellt hatte, sie kam wieder zurück.
»Versorg die letzte Wunde! Schnell«, befahl Traian.
Es widerstrebte ihr, den Vampir aus den Augen zu lassen, aber die Getriebenheit und der psychische Druck, die sie in Traians Stimme spürte, alarmierten sie. Und so gehorchte sie und verließ sich darauf, dass ihr Bruder auf die schaurige Kreatur aufpasste, während sie sich mit Gabrielle daranmachte, Traians Blutung zu stillen und die Wunde zu verbinden.
Jubal stand mit dem Rücken zu ihnen da und beobachtete die scheußliche Kreatur, die sich auf dem Boden hin und her warf, als Traian ihn plötzlich ohne jede Vorwarnung ganz dicht an sich heranzog, etwas murmelte, das Joie nicht mitbekam, und sich dann über Jubals ungeschützten Nacken beugte.
Gabrielle schrie auf und stürzte auf ihren Bruder zu, um ihm zu helfen, doch Traian hob die Hand und sagte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Aber die Worte ließen sie jählings innehalten und völlig reglos stehen bleiben, als wäre sie wie behext von ihnen.
Wut kochte in Joie hoch. »Du blutsaugendes Scheusal! Lass ihn los, oder du stirbst. Ich scherze nicht. Lass ihn auf der Stelle los, oder ich reiße dir das Herz heraus. Und versuch es erst gar nicht mit psychischem Zwang bei mir, weil das nämlich nicht wirken wird.« Während sie mit leiser, wuterfüllter Stimme die Worte zischte, zog sie das Messer aus der Halterung
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