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Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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jedoch nur noch wenige Frauen und noch weniger Kinder. Wir sind dem Aussterben nahe. Es gibt kaum noch Hoffnung, und immer mehr unserer Männer verwandeln sich.«
    Joie versuchte, die Ungeheuerlichkeit dessen, was er sagte, zu begreifen. »Es gibt nur eine Frau für jeden Mann, die ihm Farben und Empfindungen zurückgeben kann? Nur eine? «
    Traian nickte. »Nur eine. Wir können jahrhundertelang nach ihr suchen, und wenn wir sie nicht finden oder zu lange jagen und töten, wird das Bedürfnis nach Emotionen zu verführerisch, und viele erliegen der Versuchung. Wir Karpatianer haben dann nur die Wahl, entweder zum Vampir zu werden oder in die Sonne zu treten und uns von ihr töten zu lassen.«
    Was für ein grausames Schicksal! Joie nahm den Rucksack ab und legte die Kletterausrüstung auf den Boden neben dem Schrank. Als sie ihre Steigeisen abnahm und die Stiefel auszog, verzog sie das Gesicht über den Schmutz, den sie mit hereingebracht hatte. Sie brauchte die kurze Zeit, um zu verarbeiten, was Traian ihr erzählt hatte, bevor sie ihm wieder in die Augen sehen konnte.
    »Wie furchtbar traurig für euch alle!«, sagte sie mit aufrichtigem Mitgefühl im Blick. »Du und die anderen Jäger seid also gezwungen, mit den Vampiren aufzuräumen. Selbst wenn sie einmal Jugendfreunde waren … oder zu eurer eigenen Familie gehörten.«
    Traian nickte, erstaunt über die Tiefe des Verständnisses, das er in Joies Ausdruck las. Offensichtlich hatte sie sofort erkannt, was andere nicht sahen: Tief im Innersten hatte jede Vernichtung eines Jugendfreundes oder Cousins ein Stück aus seiner Seele herausgerissen, bis er hatte befürchten müssen, dass kaum noch etwas davon übrig war. Doch Joies Verständnis und das Mitgefühl, das sie ihm entgegenbrachte, veränderten etwas in ihm. Er fühlte es, verspürte in aller Deutlichkeit die erste heilende Berührung und die Macht, die eine Seelengefährtin ausübte.
    Mit ihren verschmutzten Kleidern und ihrem ebenso schmutzigen Gesicht stand sie vor ihm und war einfach wunderschön für ihn. Ein dicker, heißer Klumpen stieg in seiner Kehle auf, und um Joie nicht die Ergriffenheit sehen zu lassen, die ihn zu ersticken drohte, wandte er sich von ihr ab. Denn wie könnte sie auch nur ansatzweise verstehen, was sie ihm bedeutete?
    »Es tut mir leid, Traian. Ich weiß, dass ich nicht einmal annähernd verstehen kann, wie das gewesen sein muss, doch ich kann spüren, wie sehr es dich belastet.«
    Mehr als das noch fühlte sie, wie allein er gewesen war, und war erschüttert von der Intensität der Qualen, die er ausgestanden hatte. Sein Leben war hart gewesen, hässlich, leer und öde, sah sie, als sie erschreckende Einblicke in Szenen aus seiner Vergangenheit erhielt: grauenhafte Kämpfe, die Stunden angedauert hatten, und schwerwiegende Verwundungen. Tod. Überall war nur Tod um ihn herum gewesen und niemand da, um ihn zu trösten. Niemand, der ihn liebte und sich um ihn sorgte.
    Von Sehnsucht und dem Bedürfnis überwältigt, ihn in die Arme zu schließen und einfach nur zu halten, schloss Joie für einen Moment die Augen. Sehr langsam zog sie ihre dicke Daunenjacke aus, denn obwohl das Zimmer nicht geheizt war, war ihr nach der Kälte des Berges schon fast zu warm darin. Ihre Handschuhe warf sie auf die Jacke.
    »Es ist kurz vor Morgengrauen, Joie, und ich werde bald in die Erde gehen müssen. Ich habe zu viel Blut verloren, und die Wunden an meinem Körper müssen heilen. Es gibt keine andere Möglichkeit, sie schnell heilen zu lassen, und die Trennung von mir könnte schwierig für dich werden. Du wirst in diesem Zimmer bleiben müssen, wo du sicher bist.«
    »Was soll das heißen, es könnte schwierig werden?« Joie konnte das Misstrauen nicht aus ihrer Stimme heraushalten. Was Traian sagte, war nicht nur so dahergeredet, um alles noch dramatischer zu machen. Nein, für sie war offensichtlich, dass er sie vor etwas warnen wollte, das sie erst noch erfahren musste.
    »Die Anziehungskraft zwischen Seelengefährten ist sehr stark. Du wirst mich auf telepathischem Weg nicht erreichen können, und doch wird dein Geist nicht aufhören, die Verbindung zu meinem zu suchen. Wärst du unvorbereitet, könntest du auf den Gedanken kommen, ich sei gestorben. Mein Herz wird aufhören zu schlagen, und auch meine Lunge wird ihre Arbeit einstellen, während die heilsame Erde meiner Heimat meine Wunden heilt und mich verjüngt. Das Beste wäre, wenn du einfach den ganzen Tag verschlafen würdest. Du bist

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