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Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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sanfter Stimme.
    »Neben einer Million anderer Dinge«, gab sie zu. »Mal im Ernst, Traian – wie könntest du mit jemandem glücklich sein, der so wenig Erfahrung hat, verglichen mit dir, der Jahrhunderte gelebt hat und die Entwicklung der Welt beobachten konnte? Du warst schon auf der Welt, als sie noch kaum bevölkert war, und hast Kriege, Plagen und Dinge durchlebt, die ich mir nicht mal vorstellen kann.«
    Joie strich sich das Haar hinter die Ohren und betrachtete ihn nachdenklich. »Meine Eltern haben mich zu großer Eigenständigkeit erzogen, ich denke selbstständig und bin eine tatkräftige Frau. Verglichen mit dir und dem Wissen, dass du besitzt, bin ich jedoch kaum mehr als ein Kind. Und so verlockend es auch wäre, mich in deine Arme zu werfen und zu nehmen, was immer du mir geben willst, befürchte ich doch, dass ich irgendwann meine Persönlichkeit verlieren würde. Ich treffe gern meine eigenen Entscheidungen, so bin ich halt. Ich muss Berge besteigen und Höhlen entdecken, in denen noch nie jemand gewesen ist. Und ich finde Erfüllung in meiner beruflichen Tätigkeit.«
    Sie hielt sich für sicher dort auf dem Bett, in einem Männerhemd, das ihren Körper nur knapp bedeckte und sie noch verführerischer aussehen ließ denn je. Traian schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass du dir Sorgen machst, du könntest durch das Zusammensein mit mir deine eigene Persönlichkeit verlieren. Ich will dich so, wie du bist, Joie, und habe nicht die Absicht, dich in irgendeiner Weise zu verändern. Du bist eine sehr intelligente Frau. Aber du bist auch eine Kämpferin, und ich respektiere das und deinen Unternehmungsgeist. Ich weiß auch, dass dir, ob du nun kletterst, eine Höhle erforschst oder jemanden beschützt, dein Ego nie im Wege stehen würde, wenn du mit jemandem zusammenarbeitest und diese andere Person mehr Wissen besitzt als du. Du würdest auf den anderen hören. Zumindest verlasse ich mich darauf, dass es so ist.«
    Joie presste die Lippen zusammen.
    »Glaubst du, ich würde nicht genauso auf dich hören, Joie? Ich habe keine Ahnung, wie es ist, eine Familie zu haben. Oder Freunde. Und ich kenne auch nicht das Vergnügen, seine Fähigkeiten so einsetzen zu können, wie du es tust, wenn du einen Berg besteigst. All das möchte ich von dir lernen. In diesen Dingen werde ich mich voll und ganz auf deine Kompetenz verlassen, um mich problemlos in deine Welt einfügen zu können. Ich mag zwar die Gepflogenheiten von Vampiren kennen und imstande sein, mich zu verwandeln, und auch entwicklungsgeschichtlich mag ich viel gesehen haben, doch von den wirklich wichtigen Dingen im Leben, wie eine Frau, ein Kind, eine Familie zu haben, von diesen Dingen verstehe ich überhaupt nichts. Ich höre dich mit deinen Geschwistern lachen und spüre eure Verbundenheit, und die möchte ich auch mit ihnen verspüren. Ich möchte, dass Jubal mein Bruder und Gabrielle meine Schwester ist. Und ich würde mich freuen, wenn deine Eltern mich als Sohn betrachten würden. Nur du kannst mir all diese Dinge geben. Nur du kannst mir den richtigen Weg zeigen, ein Teil von etwas zu werden, was ich noch nie erlebt habe.«
    Joies Wimpern streiften ihre hohen Wangenknochen, als sie den Blick senkte und sich mit der Zunge über die Unterlippe fuhr. Traians Herz verkrampfte sich in seiner Brust. Sie besaß alle Macht und war sich dessen nicht einmal bewusst, sondern glaubte sogar, dass er sich irgendwann mit ihr langweilen würde.
    »Ich habe den Werdegang der Welt beobachtet, aber nichts dabei empfunden. Ich habe fremde Länder gesehen und erkannt, dass sie schön sein könnten, doch gesehen habe ich sie nur in Grautönen, ohne etwas zu empfinden, ohne Farben zu sehen. Ich verfüge über Fakten, Millionen von Fakten, und ich kenne den Krieg, aber nur wenig anderes. Ich brauche dich, Joie.«
    Sie schluckte. Er brach ihr fast das Herz mit seiner schonungslosen Offenheit. Seine emotionale Bedürftigkeit und der Hunger, den sie in ihm spürte, gingen ihr sehr nahe. Joie hatte sich beruflich für den Dienstleistungsbereich entschieden, weil es in ihrer Natur lag, anderen beizustehen und sie vor Schaden zu bewahren. Und ausgerechnet dieser Mann, der so gänzlich unbesiegbar zu sein schien, offenbarte ihr nun, wie verwundbar er in seinem tiefsten Inneren war.
    Vor allem aber fühlte es sich für sie so an, als hätte sie ihr ganzes Leben abseits gestanden, immer ein wenig am Rande und nie wirklich irgendwo dazugehört. Bei Traian

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