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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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selbst.
    Doch sagte er ihr die ganze Wahrheit? Sie konnte nie sicher sein.
    „Ihr habt keinen Grund, mir zu trauen, Madame Dumas“, sagte er. „Ich habe gezeigt, dass ich Euer Freund bin, aber ich habe es nicht sehr gut gemacht. Das tut mir leid, aber jetzt müsst Ihr mir zuhören! Die Zeit wird knapp.“
    Marguerite schaute ihm zu, wie er in seinem Gewand herumfummelte, bis er schließlich einen kleinen Schlüssel hervorzog. Er glänzte, so neu war er. Gerade, als wäre er jetzt erst dem Original nachgemacht worden.
    Er drückte ihn ihr in die Hand und murmelte: „Nach dem Morgenmahl mit der Comtesse wird der Comte den ganzen Morgen mit König Henry verbringen. Dieser Schlüssel öffnet eine Truhe, die unter seinem Bett versteckt ist. Schaut hinein, Madame, und Ihr werdet sehen, dass ich hier bin, um Euch zu helfen.“
    Sie schloss die Finger fest um den Schlüssel, doch Pater Pierre ließ ihre Hand nicht los. Er hielt sie fest umschlungen, während sein ganzer Körper bebte, so verzweifelt war er.
    Vorsichtig rutschte Marguerite ein Stück zur Seite. Bestimmt hatte sie schon früher verzweifelte Männer erlebt, Männer, die bereit waren, alles zu tun, um zu behalten, was sie besaßen – Reichtum, Macht. Das Leben selbst. Doch noch nie war sie Ziel eines solch fiebrigen Verlangens gewesen. „Was wollt Ihr als Gegenleistung für diese Information, Vater?“
    Immer noch ihre Hand umklammernd, schüttelte er den Kopf. „Ich will nichts für mich selbst, Madame – Marguerite! Nur Eure Sicherheit. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Ihr verletzt würdet, wenn ich es hätte verhindern können.“ Seine Stimme wurde nun zu einem heiseren Flüstern. „Ich versuchte, dagegen anzukämpfen, meinem Gelübde treu zu bleiben. Aber Ihr seid so schön, so …“
    Er wandte sich ab und barg den Kopf in den Händen. Ein Schluchzen ließ seine schmalen Schultern erbeben.
    Plötzlich wurde Marguerite von Mitleid ergriffen. Mitleid – für Pater Pierre! Das Leben war tatsächlich voller Überraschungen, überlegte sie. Unerwarteter Enthüllungen. Sie war eine Närrin gewesen, dies zu vergessen. Zu vergessen, dass Menschen immer seltsam waren und man sich niemals allzu sicher sein konnte, was sie als Nächstes taten. Nichts war, was es schien, ob gut oder schlecht.
    Sie legte ihm leicht die Hand auf die Schulter und spürte, wie er zusammenzuckte. „Bitte, quält Euch nicht meinetwegen. Ich könnte es nicht ertragen. Ihr habt heute eine wahrhaft gottesfürchtige Tat getan. Ihr habt ein Leben gerettet, selbst wenn es ein so unwürdiges ist wie das meine.“
    „Sagt das nicht!“ Er fuhr herum und ergriff wieder ihre Hand. Frische Tränen glänzten auf seinen Wangen. „Vor Gott ist keiner unwürdig, Marguerite. Ihr müsst ein neues Leben anfangen, eines, das Eurer wahren Güte und Schönheit geziemt.“
    Marguerite dachte an Nikolai, an seine sonnigen Weingärten unter endlos blauem Himmel. „Ich verspreche Euch, Eure gute Tat wird nicht unbelohnt bleiben. Ich werde einen neuen Weg finden, und Ihr auch, wenn Ihr wollt.“
    „Ich werde nicht an den Hof zurückkehren, ich werde in ein Kloster gehen.“ Er verzog bitter das Gesicht, und sein Griff um ihre Hand verstärkte sich. „Ich habe genug vom Betragen der Könige.“
    „Ja, ich weiß. Mir geht es genauso.“ Marguerite löste vorsichtig ihre Hand aus seiner und steckte den Schlüssel in ihren Beutel, während sie sich erhob. Sollte das eine Art Falle sein, so würde sie es früh genug erfahren. Aber sie glaubte nicht, dass der Priester zu solch einem Verrat fähig war. „ Merci , Vater. Ich danke Euch aus tiefstem Herzen. Und es tut mir leid, Euch so verkannt zu haben.“
    Während sie sich entfernte, spürte sie, wie sein Blick ihr sehnsüchtig folgte. Es war ein einsames Verlangen, das sie nur zu gut verstand. Schon zuvor hatte sie gefühlt, dass der Boden unter ihren Füßen begann, brüchig zu werden. Das Zusammenbrechen ihrer ganzen Welt schwoll zu einem ohrenbetäubenden Brüllen an. Schneller und schneller lenkte Marguerite ihre Schritte über die Wege. Doch noch während sie rannte, wusste sie, dass sie nicht entkommen konnte. Die alte Welt war fort, hatte sich in nichts als Asche und Feuer aufgelöst.
    Konnte irgendetwas Neues an ihrer Stelle aufgebaut werden, oder war Marguerites Schicksal bereits besiegelt?

24. KAPITEL
    Marguerite lief in ihrer kleinen Kammer auf und ab. Einige Schritte in die eine Richtung, Kehrtwendung, ein paar Schritte in die andere.

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