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Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schwarz
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die Berge zu Elisabeth. Immer dann, wenn Menschen von Gott berührt werden, sich von Gott berühren lassen, brechen sie auf, gehen sie los, machen sich auf den Weg. Abraham bricht auf und zieht in das Land, das Gott ihm zeigen wird, das Volk Israel, das sich auf den Weg ins Gelobte Land macht, Maria, die es nach all den seltsamen Ereignissen nicht mehr zuhause hält, Jesus selbst, der als Wanderprediger umherzieht, die Jünger, die ihren Alltag, ihre Familien, ihren Beruf verlassen und mit ihm gehen - und schließlich als Apostel den Auftrag bekommen: Geht hinaus in alle Welt.
    Wer sich von Gott berühren läßt, der kann nicht einfach im Altvertrauten sitzen bleiben, den treibt es um, der geht neu los. Der begreift alles Irdische als Vorläufiges, der versteht sich selbst als Fremder und Gast auf Erden, richtet seine Schritte neu auf Gott hin aus. Wer sich auf Gott einläßt, der kommt nicht unverletzt davon.
    Inzwischen habe ich mich entschieden, morgen mit dem Bus ein bißchen weiter nach Westen zu pilgern... - als nächsten Zwischenstop habe ich Logroño angepeilt. Von dort aus ließe sich eventuell am Montag auch eine »Teststrecke« zu Fuß gehen - zumindest beschreibt der Führer die Etappe bis zum nächsten Ort, in dem ich gegebenenfalls auch wieder Busanschluß hätte, als eben und ohne größere Schwierigkeiten.
     
    20.30 Uhr
    Grad kam ein Mann einfach ohne anzuklopfen in mein Zimmer herein, deutete auf das Notbett, das hier in der Ecke steht, und wollte es mitnehmen. Bisher war es willkommene Ablagefläche für mich gewesen. Zum Glück bin ich nicht allzu sehr erschrocken, sondern räumte meine persönlichen Sachen aufs Bett und drückte ihm die Stapel Handtücher und die Bettdecke in die Hand mit der Bemerkung: »I have no place for it!« Mit dem Stapel auf dem Arm, das Bett hinter sich herziehend, eine Entschuldigung auf den Lippen, zog er sich dann schließlich wieder zurück. Wo sind wir hier denn? In einem Hotel in Nordspanien...
     
     

Sonntag, 1.6.
     
     
    Logroño, 14.00 Uhr
    Die Störche nisten hier ja tatsächlich auf der Kathedrale! Ich hab’s zwar beim Paul in seinem Pilgertagebuch gelesen, aber irgendwie nicht so richtig geglaubt...
    Ja - pilgern mit dem Autobus... zugegeben - heute war ich gar nicht so arg böse darum. Es regnete den ganzen Tag - und die Pilger scheinen bei diesem Wetter wohl alle auf die Landstraße gewechselt zu haben, zumindest hat der Bus etliche überholt. Heute sahen sie wirklich bedauernswert aus.
    Das Wegkommen in Puente fiel mir schwer. Die Nacht war unruhig gewesen, bis um halb fünf morgens war Highlife in der Bar - und zwei Stunden später brachen schon wieder die ersten Pilger auf, deutlich erkennbar am schweren Schritt - draußen regnete es in Strömen.
    Ich hatte mir den Wecker auf sieben Uhr gestellt, bekam aber schlichtweg die Augen nicht auf. Schließlich um acht Uhr - aufstehen, packen. Und das heute morgen noch ohne Kaffee - die Bar machte erst um zwölf Uhr auf. Den Gottesdienst hatte ich mir fast schon abgeschminkt. Und einen Moment lang habe ich sogar überlegt, noch eine Nacht hier in Puente dranzuhängen -irgendwie hatte ich grad überhaupt keine Lust, schon wieder loszufahren, mich neu zu orientieren, das Vertraute zu verlassen.
    Schließlich bin ich doch mit vier Minuten Verspätung und mit gepacktem Rucksack im Gottesdienst. Und als ich vor der Busabfahrt sogar noch zu einem Kaffee und einem Schokoladencroissant komme, bin ich auch fast schon wieder ein bißchen versöhnt.
    Inzwischen bin ich schon in der Rioja - und die Landschaft, durch die wir vorhin gefahren sind, war trotz Regen wunderschön. Bei entsprechendem Wetter muß es viel Freude machen, sie zu durchwandern.
     
    Logroño, 19.00 Uhr
    Logroño ist als Stadt nicht so arg interessant — und wenn die Störche nicht wären, wäre es absolut langweilig. Vorhin stand ich an der Brücke über dem Ebro - und da ist mir wieder das Lied eingefallen, das wir damals bei den Pfadfinderinnen gelernt hatten: »Ebro auf und Ebro ab in der Stunde der Orangen.« Ich weiß zwar bis heute nicht, was eigentlich genau die »Stunde der Orangen« ist, ich kann das Lied auch nicht mehr -aber ich weiß, daß ich es damals sehr gerne gesungen habe.
    Logroño macht seinen Sonntagabendspaziergang - festlich angezogen flanieren die Menschen durch die Straßen. Ich werde nicht mehr viel flanieren, sondern bald ins Bett verschwinden. Ich bin schon wieder oder immer noch müde.
     
    Logroño, 22.00 Uhr
    Wenn der

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