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Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schwarz
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bleiben müssen, mich mit einem Ort vertraut machen und doch in der Fremde sein, Bleibende zu sein und andere vorbeiziehen zu sehen.
    Ich spüre, so langsam scheine ich mich meinem Thema dieser Tage anzunähern - Spannungen aushalten, gehen und bleiben, machen und lassen. Ich habe darum geahnt, aber in den streßigen Voraufbruchswochen ist es irgendwie verloren gegangen -jetzt berührt es mich wieder.
    Wenn ich einfach weitergegangen wäre, wenn alles geklappt hätte - ob sich mir dieses Thema dann nochmal so gestellt hätte? Noch gab es wenig Wegstrecken, auf denen ich einfach loslaufen und denken und sein konnte. Dauernd waren, wenn auch kleine, Entscheidungen angesagt, war Organisieren gefragt.
    So langsam werde ich dankbar für diese erzwungenen Tage des Innehaltens... ob vielleicht manchmal gerade im scheinbaren Scheitern das Gelingen liegt?
     
     

Samstag, 31.5.
     
     
    Puente la Reina, 11.00 Uhr
    Ich schlafe lang, viel und gut in diesen Tagen. Es scheint notwendig zu sein. Heute nachmittag werde ich in den Tiefen meines Rucksackes auf die Suche nach dem Wecker gehen müssen, damit ich morgen früh rechtzeitig zum Gottesdienst komme. Hier wird morgen Fronleichnam als großes Fest mit Prozession gefeiert. Der Donnerstag war ein ganz normaler Arbeitstag - ob wir in Deutschland wohl ab und an einmal daran denken, daß manche offiziellen Feiertage gar nicht selbstverständlich sind?
    Heute ist mir nochmal meine doppelte Heimatlosigkeit bewußt geworden - alleine im fremden Land und inzwischen auch nicht mehr in der Pilgergemeinschaft drin, die ja auch trägt und hält. Umso wichtiger wird mir der Gottesdienst, in dem ich zwar auch vieles nicht verstehe, aber in dem mir vieles wiederum vertraut ist. Heute habe ich vom Evangelium immerhin soviel verstanden, daß ich herausbekommen habe, daß es um Marias Besuch bei Elisabeth ging - und dazu gab es zwei Lesungen (was ist denn heute nur für ein Feiertag?). Das »Gegrüßet seist du, Maria« erkenne ich inzwischen auch schon - und der Friedensgruß geschieht hier ausgesprochen herzlich.
    In der Zeit, als die Pilgerbewegung hier in vollem Gang war, müßten doch eigentlich die Gottesdienste auf Latein gehalten worden sein, oder? Und dann waren möglicherweise die Gottesdienste für die Pilger damals noch vertrauter und noch ein bißchen mehr Heimat als für mich heute.
    Unterwegs sein mit wenig Gepäck, das macht auch frei und unabhängig. Was ich nicht mithabe, darauf brauche ich auch nicht aufpassen, das kann ich nicht verlieren, das kann mir nicht gestohlen werden. »Denn wo euer Schatz ist, da ist euer Herz « (Mt 6,21) - wenn ich mein Herz an irdische Schätze hänge, dann ist die Gefahr groß, daß sie mich entsprechend besetzen werden, dann werde ich alles tun, damit mir diese Schätze nicht genommen werden, dann werde ich viel Kraft und Energie einsetzen, um mich entsprechend abzusichern. Das aber bindet und macht unfrei.
    Das korrespondiert mit meinen Erfahrungen zur Heimatlosigkeit. Der Umzug damals vor drei Jahren aus dem Schwarzwald nach Rheinhessen hat mich heimatlos gemacht, das habe ich sehr schmerzlich gespürt. Damit konnte aber auch eine neue Beheimatung in Gott möglich werden - und in mir wurde viel freigesetzt, was es mir ermöglichte, liebender zu werden. Ich habe lange damit gehadert, daß ich in keiner festen Partnerschaftsbeziehung lebe und keine Kinder habe. Diese Lebensform des Alleinlebens macht aber zugleich anderes erst möglich. Kraft und Energien können anders eingesetzt werden. Damals im Advent habe ich den Zölibat mal »Sakrament der Heimatlosigkeit« genannt.
     
    14.20 Uhr
    Ich war gerade im Schreibwarengeschäft und habe dort das Buch »Der kleine Prinz« auf spanisch entdeckt. Den nehm ich jetzt mit - ich kenne den Text ja gut, und vielleicht hilft es mir, ein wenig ins Spanische hineinzukommen. Und dann hab ich mir gleich noch ein neues Tagebuch gekauft - wie soll das denn noch werden, wenn ich das erste bereits nach einer Woche halbvoll geschrieben habe?
    In Puente la Reina war heute vormittag Markt, ein farbenfrohes Bild - von der Unterhose bis zur Melone wird hier alles verkauft. Schade, daß ich den Fotoapparat nicht dabei hatte.
    Mein kleiner Liturgiekalender gibt mir übrigens keinen Aufschluß darüber, welches Marienfest heute hier gefeiert wurde. Es heißt nur lapidar: »...oder Gedenken des Mariensamstags.« Mag sein, daß sie den Abschluß des Marienmonats Mai gefeiert haben. Aber was mir auffällt: Maria geht über

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