Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht Meines Bruders

Die Sehnsucht Meines Bruders

Titel: Die Sehnsucht Meines Bruders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters
Vom Netzwerk:
dann wieder näher.
    „Wo ich doch jetzt viel mehr Verantwortung hab, dachte ich...“
„Natürlich, Claire, gönnen Sie sich mal was. Wenn ich wieder da bin, sollten Sie einen schönen Urlaub machen. Vielleicht auf die Malediven? Sie können es sich jetzt doch sicher leisten, und es wäre eine schöne Abwechslung zu den Bergen.“
Ihre Augen leuchteten. „Ja, auf die Malediven würde ich schon gern einmal fahren ...“ Versonnen ging sie mit den Notizen, die sie sich gemacht hatte, wieder in ihr Büro.
Ich lehnte mich in meinem Drehstuhl zurück und sah der Sonne zu, wie sie nach und nach über dem Tal in purpurrotem Licht versank. Noch ein Tag und ich war mit ihm allein ... in der Weite der Berge.
Seufzend erhob ich mich. Es wurde Zeit für meine abendliche Kontrollrunde durch das Hotel.
Zuerst ging ich bei Jack, dem Concierge, vorbei. Wir kannten uns bereits aus dem Hotel in Bozen. Als ich mich selbständig machte, hatte ich ihn mitgenommen. Inzwischen waren wir so etwas wie Freunde geworden. Er meisterte die täglichen kleinen Katastrophen, die vielfältigen Wünsche und Eitelkeiten der Gäste schnell, sicher und unauffällig.
Er erwartete mich schon und zog mich in sein kleines Büro hinter der Rezeption.
„Madame de Germain, du weißt, die französische Gräfin, sie hat die Hochzeitssuite gebucht mit ihrem kleinen Gigolo. Sie ist vorhin am Rand des Schwimmbeckens ausgerutscht.“
„So ein Mist ... warum hast du mich nicht gerufen?“
„Ist halb so wild.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Der Arzt ist gerade bei ihr. Sie stellt sich fürchterlich an, hat sich aber wahrscheinlich nur den Allerwertesten geprellt und das rechte Handgelenk aufgeschürft, mit dem sie den Sturz abgefangen hat.“
„Das Problem wird ihr Anwalt sein, richtig?“
„Genau, sie hat gedroht, uns anzuzeigen.“ Jack zog eine Grimasse. Seine klugen grauen Augen blitzten vor Zorn und eine pomadisierte Haarsträhne, die sich gelöst hatte und ihm nun wie ein kleiner Stachel aus einem Wirbel auf dem Kopf hervorstand, zitterte erregt.
Ich musste grinsen. „Mach dir keine Gedanken. Bruce macht das schon. Er hat uns noch immer herausgeboxt. Wir zahlen ihr ein kleines Schmerzensgeld. Anzeigen kann sie uns nicht. Die Anlage ist ordnungsgemäß abgenommen und wird doch auch regelmäßig geprüft. Hat wohl ein kleines Liquiditätsproblem die Gute. Solche Gigolos sollen ja manchmal recht kostspielig sein. Schick ihr schon mal einen üppigen Früchtekorb ins Zimmer.“
„Ist schon erledigt, Ray.“
„Ich gehe morgen Früh mal bei ihr vorbei. Haben wir noch Karten für Verona?“
„Klar, die Opernfestspiele haben ja gerade erst begonnen. Soll ich Ihnen zwei für die Gräfin geben?“
„Ja, vielleicht besänftigt sie das ein wenig. Was wird denn gespielt zur Zeit?“
Jack drehte sich um und öffnete den kleinen Tresor hinter seinem Schreibtisch. „Aida und dann natürlich Madame Butterfly, eine wunderbare Inszenierung.“ Er tauchte wieder auf und reichte mir die Tickets. „Die Bonnards waren dort. Sie haben mir eine ganze Stunde lang davon vorgeschwärmt.“
„Ja, die Festspiele in der Arena sind einzigartig. Für die Stimmung allein lohnt es sich. Ich hab mir fest vorgenommen, es dieses Jahr nicht wieder zu verpassen. Nimm dir ruhig auch zwei Karten, Jack. Du hast es mehr als verdient.“
„Oh, danke Ray. Werde ich machen. Gina wird begeistert sein.“
„Wie geht es ihr? Hat sie immer noch diese Stelle als Arzthelferin bei dem alten Petronelli?“
„Ja, es geht ihr gut. Macht ihr viel Spaß der Job. Petronelli lässt ihr ziemlich freie Hand.“
„Freut mich. Grüß sie schön von mir ... weißt du was? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man gerne für einen Zahnarzt arbeitet. Wenn ich nur an meinen halbjährlichen Zahnpflegetermin denke, schüttelt es mich schon.“
„Tja, der eine isst halt gerne Schlagsahne, der andere gerne Schmierseife.“
„Wo hast du denn den alten Spruch ausgegraben?“ Er lachte und ich stimmte mit ein, schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
„Also gut, ich werde mir den Beckenrand mal ansehen. Vielleicht kann man ja noch zusätzliche Rutschsicherungen anbringen.“
Das Becken lag verlassen da. Die meisten Gäste hatten sich nach dem Abendessen zurückgezogen oder waren ausgegangen. Der Bademeister hatte deshalb das Licht ziemlich heruntergedreht. In diesem Dämmerlicht wirkte die blaugrüne Unterwasserbeleuchtung besonders schön.
Ich hatte mir eine Taschenlampe mitgenommen, um

Weitere Kostenlose Bücher