Die Sehnsucht Meines Bruders
erregt stöhnend und kleine spitze Lustschreie ausstoßend entgegen kam. Dabei griff er unter sich und begann, hektisch zu wichsen.
Und in diesem Augenblick drehte Carlo den Kopf und sah zu mir herüber. Unsere Blicke trafen sich und hielten sich fest, während sich Carlo immer heftiger in den Mann unter ihm stieß.
Verdammt ... das war mir früher doch nie passiert. Warum lud mich im Augenblick jeder ein, ihm beim Sex zuzusehen? Plötzlich war ich sauer, drehte mich abrupt um, rückte die Beule in meiner Hose zurecht und ging.
Für heute hatte ich wirklich genug. Ich sehnte mich plötzlich nach Lisa.
* * *
Als wir im Bett lagen, erzählte ich ihr endlich von der Vergangenheit. Ich konnte das alles nicht länger mit mir alleine ausmachen. Ich erzählte ihr von meiner schönen Kindheit und deren abruptem Ende beim Tod meiner Mutter. Von Robert, der mich dann alleine aufgezogen hatte, und der zu meinem großen Entsetzen eines Tages mit einem zwölfjährigen Jungen nach Hause kam. Welcher sich vollkommen verdreckt und mit zerrissener Kleidung nach der Säuberung durch mein Kindermädchen äußerlich als Engel und innerlich als kleiner Teufel herausgestellt hatte.
Ich sprach von meiner grenzenlosen Wut, die damals ihren Anfang genommen hatte, und von meinen Versuchen, sie zu bekämpfen – und dass diese Wut jetzt nach Jahren wieder ausbrach ... Ein Vulkan in meinem Inneren, von dem ich nicht wusste, wie ich ihn löschen sollte.
Sie streichelte mir schläfrig die Brust. „Gut, dass ihr euch all dem stellen wollt, Ray. Einen anderen Ausweg sehe ich auch nicht. Offene Aussprache ist das einzige was bleibt ... das einzige, glaub mir. Ihr könnt natürlich für immer auseinandergehen, jeglichen Kontakt vermeiden. Der Konflikt geht aber weiter – in dir drin. Irgendwann wird er wieder ausbrechen. Mit einem anderen Menschen, zu einer anderen Zeit. Doch dann wird der einzige, der den Schlüssel zu deinen Problemen hat, aus deinem Leben verschwunden sein.“
Das war für Lisas Verhältnisse eine lange und ziemlich tiefschürfende Ansprache gewesen. Sie kuschelte sich in meinen Arm, und bald döste sie vor sich hin. „Vielleicht bist du ja gar nicht auf ihn so sehr wütend. Vielleicht auf etwas ganz anderes ...“, murmelte sie noch, bevor ihre tiefen Atemzüge anzeigten, dass sie schlief.
Nicht auf ihn wütend? Na, da irrte sie sich aber gewaltig. Lisa ... ach was soll’s. Ich tat die Sache ab. Sie hatte im Halbschlaf wirres Zeug daher geredet, schon halb im Traum. Vielleicht hatte ich sie auch nicht richtig verstanden.
Ich lag noch lange wach. Konnte das aussichtslose Grübeln einfach nicht abstellen.
Doch kaum war ich ein wenig eingedöst, weckten mich leise kichernde Stimmen im Flur. Ganz eindeutig James, und er war nicht allein. Oh nein , nicht das auch noch! Brachte er jetzt schon seine One-Night-Stands mit in unsere Wohnung? Bald hörte ich ihr Stöhnen und schließlich auch ihre Schreie bis in unser Schlafzimmer.
Eigentlich hatte ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht über James‘ Liebesleben. Er wechselte ja ziemlich häufig seine Partner. Machte er das in der Schweiz auch so? Oder hatte er dort einen festen Freund und schlug nun hier so richtig über die Stränge, weil der Freund weit weg war und es nicht erfahren würde? Bei dieser Vorstellung meldete sich wie so oft in letzter Zeit wieder mal mein Bauch. Was war bloß mit mir los? Richtig krank fühlte ich mich eigentlich nicht, nur immer dieser empfindliche Magen ...
Ich hatte James zwar früher damit aufgezogen, dass er Männer liebte, und dabei war ich nicht gerade zimperlich vorgegangen. Doch das war nur die Wut über seine bloße Existenz. Im Grunde kam mir seine ‚sexuelle Orientierung‘ nicht spektakulär vor. Ob man Männer oder Frauen liebte, das schien mir so ziemlich dasselbe zu sein. Letztlich kam es doch nur auf den Menschen selbst an. Ob man zu einander passte, ob man sich verstand, ob er einen antörnte. Sex war eben Sex, und der war schließlich Geschmacksache. Warum ekelte mich dann fast, wenn ich meinen Bruder sah, wie er sich lasziv bewegte, wenn ich ihn mit einem Mann sah?
Schwer zu sagen ... wirklich schwer zu sagen, wie van Veeteren sagen würde. Ich musste grinsen, als mir in diesem Zusammenhang ausgerechnet Håkan Nessers Kommissar van Veeteren in den Sinn kam. Aber es war ja auch wirklich eine harte Nuss, die ich da zu knacken hatte. Warum widerte es mich so an, was mein Bruder tat? Und warum machte mich andererseits genau
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