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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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Pariser Gesellschaft einzuführen.
    Paulina dachte an die vielen Billetts, die seit der Berufung ihres Gatten zum Senator eingetroffen waren und die deutlich gemacht hatten, wo in Zukunft ihr Platz sein würde. Ihr würde nichts anderes übrigbleiben, als einen Teilhaber mit der Leitung der Seidenmanufaktur in Crefeld zu betrauen und nach Paris zu ziehen. Sie machte sich keinerlei Illusionen darüber, dass dies in der Erhebung zur Gräfin stillschweigend mit enthalten war.
    Wie berauscht von all dem Glanz und Luxus, der sie umgab, nahm Paulina die Ehrbezeigungen der Pariser Gesellschaft entgegen. Sie hörte Namen, die ihr bisher immer als unerreichbar erschienen waren, und wurde von Menschen hofiert, die sie noch zwei Tage zuvor keines Blickes gewürdigt hatten.
    «Ich brenne schon seit langem darauf, Sie kennenzulernen, Gräfin Ostry», sagte eine rassige Frau mit Katzenaugen und hohen Wangenknochen. Sie musterte Paulina fast ein wenig feindselig. «Allerdings habe ich Sie mir ganz anders vorgestellt.»
    «Tja, ich bin nicht gerade die typische Vertreterin meines Landstrichs», bemerkte Paulina leichthin, während sie überlegte, wer die Dame wohl sein mochte. Die Tatsache, dass diese es nicht für nötig gehalten hatte, sich vorzustellen, konnte nur bedeuten, dass es sich um eine Vertreterin der höheren Gesellschaft von Paris handeln musste.
    «In der Tat erinnern Sie an eine Südländerin», meinte die Dame mit süßlichem Lächeln. «Wohingegen Ihr Temperament doch eher dem der bürgerlichen Kaufmannsfrauen Ihrer Heimat entsprechen muss, sonst würde Ihr Gatte nicht so viel in anderen Gefilden jagen.»
    Paulina, der die Anspielungen auf die Untreue ihres Gatten längst gleichgültig geworden waren, wollte gelangweilt weitergehen. Doch dann bemerkte sie, dass Anna bei den niederträchtigen Worten der fremden Dame wütend das Gesicht verzogen hatte.
    «Wie kommt es, dass Sie über die Vorlieben meines Gatten so gut im Bilde sind?», fragte Paulina süßlich lächelnd. «Gehören Sie etwa auch zu seiner Beute, Madame?»
    Die Dame schnappte nach Luft und rauschte ohne ein weiteres Wort zu sagen davon.
    «Alle Achtung, Maman!», flüsterte Anna ihrer Mutter zu. «Das war die Gräfin Maricourt. Sie hat die spitzeste Zunge von ganz Paris. Wissen Sie, was man sich über sie erzählt? Sie soll sich jeden Mann nehmen, den sie haben will.»
    «Hüte dich davor, solche Ungeheuerlichkeiten zu verbreiten!», wies Paulina ihre Tochter zurecht, auch wenn sie innerlich schmunzeln musste. «Woher beziehst du deine Kenntnisse? Mir scheint, ich muss ein ernstes Wörtchen mit deiner Erzieherin reden.»
    «Man braucht nur dem Geschwätz der Dienstboten zu lauschen», antwortete das junge Mädchen treuherzig. «Haben Sie das etwa früher nicht getan, Maman?»
    Da Pierre noch Verpflichtungen im Senat hatte, beschloss Paulina, gemeinsam mit Anna zu Fuß zu ihrem Palais zurückzuspazieren. Sie schickte ihre Kutsche voraus und machte sich beschwingt auf den Weg.
    Die Dämmerung hatte schon eingesetzt, und zahlreiche Fackeln und Lampen leuchteten zu Ehren des Kaiserpaars die winterlichen Straßen aus. Aus den Häusern kamen Musik und fröhliches Stimmengewirr. Überall wurde die Krönung ausgelassen gefeiert.
    Plötzlich entdeckte Paulina in einem Hauseingang den Schatten einer sonderlichen Gestalt. Ihre Haltung rief eine entfernte Erinnerung in Paulina wach. Als sie neugierig näher trat, blickten ihr aus der dunklen Türnische zwei funkelnde Augen entgegen.
    Anna packte ihre Mutter am Arm. «Maman, sieh nur, dieser Mann sitzt in einem Stuhl mit Rädern!», flüsterte sie aufgeregt.
    «Monsieur Longeaux, welche Überraschung!», sagte Paulina laut.
    Die Gestalt schob sich aus dem Hauseingang heraus.
    «Sie kennen diese Person, Maman?», fragte Anna ungläubig und wich einen Schritt zurück.
    «Ihre Mutter und ich kennen uns seit vielen Jahren.» Longeaux verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. «Ich grüße Sie, Frau Gräfin! Wie Sie wissen, kann ich bedauerlicherweise weder in einen Hofknicks versinken noch Ihnen die Hand küssen.»
    «Und wie Sie wissen, lege ich weder Wert auf das eine noch auf das andere», erwiderte Paulina lächelnd. «Wie geht es Ihnen, Bürger Longeaux?»
    «Die Zeiten von Bürger Longeaux sind vorbei. Ich bin Monsieur de Longeaux oder Graf Longeaux, nicht mehr und nicht weniger.»
    «Sie haben also wieder die Seiten gewechselt?», bemerkte Paulina ein wenig amüsiert.
    Longeaux’ Gesicht wurde ernst.

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