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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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Ihrem Schloss in Westfalen, doch als er zurückkam, berichtete er mir, dass Sie Blommersforst ein Jahr zuvor gemeinsam mit Ihrem Gatten verlassen hätten und mit ihm in Crefeld lebten. Nach Blommersforst seien sie seither nicht zurückgekehrt.»
    «Ich lebte in Crefeld, ja!», rief Paulina, bestürzt über die Kette von Missverständnissen, die unweigerlich entstanden sein musste. «Aber ich fuhr von dort aus nach Blommersforst, um mich mit Ihnen zu treffen. Ich habe fast einen Monat lang auf eine Nachricht von Ihnen gewartet. Ihr Diener muss Sie angelogen haben, wenn er behauptete, ich sei nicht dort gewesen. Ich habe sogar meinen Kutscher ins Feldlager nach Oldenburg geschickt, um nach Ihrem Verbleib zu forschen, doch es existierte nicht mehr.»
    Christian hörte ihr mit zweifelnder Miene zu. «Wem sollte ich wohl eher Glauben schenken: meinem langjährigen, treu ergebenen Diener oder Ihnen, einer Frau, die mir ein Jahr lang in ihren Briefen weismacht, dass sie in Mecklenburg auf mich wartet, während sie in Wahrheit als umtriebige Kauffrau in Crefeld lebt!»
    Die Vision des Grafen Bahro entstand vor Paulinas Augen. Hatte er etwa wieder seine Finger im Spiel gehabt? Sie musste an das Gespräch mit Anna denken, das etwa dreieinhalb Jahre zurücklag. Selbst vor Nachforschungen über ihre Tante hatte Christians Vater nicht zurückgeschreckt.
    Christian ließ seinen Blick rundum schweifen. «Ich stelle fest, dass Sie es weit gebracht haben, Madame – und das an der Seite Ihres Gatten, den Sie vorgaben, nicht zu lieben. Wenn ich mich recht entsinne, lebten Sie von ihm getrennt, als wir uns in Mecklenburg begegneten. Was ist der Grund, warum sie kurz darauf mit ihm nach Crefeld gingen?»
    Paulina setzte zu einer Erklärung an, doch dann schwieg sie. Er würde ihr ohnehin nicht glauben, dass sie ihm bei ihrem Wiedersehen alles hatte erzählen wollen – von ihren Zwillingen, deren Vater er war, und von der Entscheidung, die sie nicht zuletzt mit Rücksicht auf ihn getroffen hatte.
    Als sie nicht antwortete, wandte er sich ab und sah aus dem Fenster. «Ich vermag Ihnen Ihre angebliche Liebe für mich nicht abzunehmen, Madame», sagte er, und seine Stimme klang bitter. «Sie besitzen Ländereien in Mecklenburg und in Westfalen, sind also in der Lage, selbst für Ihr Auskommen zu sorgen. Ich verstehe nicht, warum Sie Ihren Gatten nach Crefeld begleitet haben. Er wird Sie kaum dazu gezwungen haben.»
    Paulina musterte ihn, seine hohe Gestalt, das stolze Profil. Er hatte sich kaum verändert in all diesen Jahren, und auch wenn er kein junger Mann mehr war, hatte er sich eine gewisse Jugendlichkeit bewahrt. Sein schlanker, durchtrainierter Körper ließ vermuten, dass er asketisch lebte und viel in Bewegung war. Ob er noch immer der hannoverschen Armee angehörte?
    «Nein, mein Gatte hat mich nicht gezwungen», sagte Paulina schließlich.
    Er drehte sich um. Sein Gesicht hatte einen düsteren Zug angenommen. «Warum sind Sie dann schon bald nach unserer Nacht am Heiligen Damm mit ihm nach Crefeld gegangen? Sagen Sie es mir, Madame, warum?»
    Paulina blickte ihn atemlos an. Täuschte sie sich, oder offenbarte er ihr gerade eine tiefe Verletztheit?
    Es klopfte. Die Tür ging auf, und ein junges Mädchen von etwa zwölf Jahren betrat den Raum. Es trug ein langes Nachthemd, hielt eine Puppe gegen die Brust gedrückt und blinzelte verschlafen.
    «Camille!», rief Paulina, lief auf das Kind zu und nahm es in den Arm. «Was ist passiert?»
    «Ich habe Stimmen gehört … und dann haben Sie geweint, Maman», murmelte die Kleine. «Ich hatte Angst …» Sie hob ihren Kopf und richtete ihre Augen auf den Besucher. «Wer ist das?»
    Christian von Bahro stand da wie versteinert. Paulina, die dem Blick ihrer Tochter gefolgt war, wurde angesichts seiner fassungslosen Miene schlagartig bewusst, was er sah: ein junges Mädchen mit bernsteinfarbenen Augen und den feinen Gesichtszügen der Bahros. Sie schloss die Lider und merkte, wie ihr erneut Tränen über die Wangen liefen.
    «Maman, warum weinen Sie wieder?», fragte Camille angstvoll. «Hat dieser Herr Ihnen etwas angetan?»
    «Nein … nein, er hat mir nichts angetan.» Paulina barg ihr Gesicht im Haar des Kindes.
    «Deshalb sind Sie also mit nach Crefeld gegangen», hörte sie Christian mit erstickter Stimme sagen.
    «Komm!» Paulina nahm ihre Tochter an der Hand. «Ich bringe dich wieder zu Bett. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist nichts … ich habe den Herrn nur so

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