Die Seidenbaronin (German Edition)
sorgen!»
«Dazu ist es zu spät, meine Liebe!» Pierres Stimme war plötzlich ungewohnt hart. «Sie können meinen Aufstieg nicht mehr verhindern. Ich wurde heute in den Senat von Frankreich berufen. Selbst Ihr Gatte könnte nun nichts mehr gegen mich ausrichten. Die Zeiten sind vorbei, in denen ich weit unter Ihresgleichen stand. Abgesehen von der Senatorenwürde hat der Kaiser mich zudem in den Grafenstand erhoben.»
Paulina musste die Hand vor den Mund halten, um nicht laut aufzuschreien. Wie vom Donner gerührt stand sie da, während auch Madame de Maricourt offenbar einen Moment brauchte, um die Neuigkeit zu verdauen.
«Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?», fragte Pierre süffisant.
«Oh, spielen Sie nicht den Überheblichen!», rief die Gräfin aus. «Was sind Sie schon für ein Mann? Lassen sich die Laufbahn von Ihrer Gattin bezahlen, die so dumm ist, sich in ihrem Dorf am Rhein zu Tode zu schuften, während ihr Gemahl in Paris von einem Bett ins andere springt!»
Paulina erwachte aus ihrer Erstarrung. Sie hatte genug gehört. Hastig lief sie den Flur entlang und hinauf in ihr Zimmer.
Ich habe es geschafft, war alles, woran sie denken konnte, während sie sich auf ihr Bett warf. Unter welchen Umständen auch immer – ich habe es geschafft.
Gemahlin eines Senators und Gräfin – das war mehr, als sie sich je erträumt hatte. Umso seltsamer war es, dass sie jetzt, da sie sich endlich am Ziel ihrer Wünsche wähnte, keinerlei Freude verspürte. In ihr war nur eine unendliche Leere. Sie hörte kaum, wie es kurz darauf klopfte und jemand den Raum betrat.
«Ihr Diener verriet mir gerade, dass Sie zurück sind», ertönte die Stimme von Pierre. «Ist Ihnen nicht wohl?»
Paulina richtete sich verwirrt auf. «Falls Madame de Maricourt das Haus verlassen haben sollte, geht es mir wunderbar.»
«Sie wissen also …?» Pierre runzelte die Stirn. «Eine etwas geschmacklose Szene, die durch einen unglücklichen Umstand leider in unserem Haus stattfand. Für gewöhnlich versuche ich, derlei zu vermeiden, aber die Gräfin ist ein wenig zu gefühlsbetont.» Seine Augen weiteten sich plötzlich. «Dann haben Sie ja auch schon gehört, dass …?»
«Ich habe alles gehört!», fiel Paulina ihm hart ins Wort.
Enttäuscht wandte er sich ab. «Wirklich sehr schade! Ich hätte es Ihnen gerne ein wenig feierlicher verkündet, aber nun sind Sie ja bereits im Bilde.»
Paulina erhob sich von ihrem Bett und ging auf ihn zu.
«Tja, mein Lieber, da haben Sie sich doch tatsächlich selbst um Ihren glanzvollen Auftritt gebracht! Aber ist das so schlimm? Für Sentimentalitäten haben wir schließlich beide nichts übrig. Letztendlich zählt doch nur das Ergebnis. Ist es nicht bemerkenswert, dass von all den strebsamen, fleißigen Crefeldern ausgerechnet Sie Senatswürden und einen Grafentitel erlangen?»
Paulinas Bemerkung schien Pierre wieder aufzuheitern.
«Wirklich bezaubernd, wie Sie das sagen, meine Liebe! Erlauben Sie mir, dass ich passend zu Ihrer kleinen Feststellung einen Ausspruch unseres geschätzten Außenministers Talleyrand zitiere.» Er stellte sich in Rednerpositur. «‹Klug und fleißig – gibt es nicht; klug und faul – bin ich selbst; dumm und faul – für Repräsentationszwecke noch ganz gut zu gebrauchen; dumm und fleißig – davor behüte uns der Himmel!›» Seine Augen blitzten schalkhaft. «Was meinen Sie wohl, welche dieser Kombinationen auf mich zutrifft, Gräfin Ostry?»
Paulina musste feststellen, dass es Pierre auch nach all den Jahren noch gelang, sie aus der Fassung zu bringen.
«Das wissen Sie doch selbst am besten!», brach es aus ihr heraus. «Falls Sie nicht wünschen, dass Sie das gleiche Schicksal ereilt wie die arme Madame de Maricourt, dann sollten Sie jetzt schleunigst mein Zimmer verlassen! Oder möchten Sie der Kaiserkrönung mit einer dicken Wange beiwohnen, Graf Ostry?»
Kapitel 43
Paris, Dezember 1804
Als Pierre sich neben sie in die Kutsche setzte, konnte Paulina nicht umhin, ehrfürchtig über den Samtmantel zu streichen. Dieser herrliche Stoff war in Crefeld hergestellt worden! Das wunderbare Blau der mit weißem Pelz gefütterten Mäntel, Ergebnis von Thomas Cornelius’ meisterhafter Färbung, leuchtete im Wettstreit mit der kunstvollen goldenen Stickerei. Dazu trug Pierre eine mit Hermelin besetzte schwarze Samtkappe, die – zum Zeichen der neu errungenen Grafenwürde – mit fünf weißen Straußenfedern geschmückt war.
Wie viel Bangen und Zittern
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